Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
Vom Netzwerk:
Defibrillator.
    »Dr. Valenta! Die Feuerwehr ist mit einem Neuzugang unterwegs !«
    Das war meine Rettung oder besser, Valentas Rettung. Die Aufforderung zu medizinischer Tätigkeit war zwar über die Gegensprechanlage gekommen, und ich hatte keine Möglichkeit, Valentas Brustkorb zu massieren und gleichzeitig den Sprechknopf zu erreichen. Aber glücklicherweise schätzen Schwestern trödelnde Doktors nicht besonders, und es dauerte weniger als eine Minute, bis die Tür aufging.
    »Doktor, nun kommen Sie endlich.«
    Jetzt ging alles sehr schnell. In Nullkommanichts war Valenta defibrilliert und beatmet, innerhalb einer halben Stunde lag er auf dem Herzkathetertisch, und weitere zehn Minuten später war seine rechte Herzkranzarterie wieder offen. Ein paar Tage später zeigte der Ultraschall, daß der Herzmuskel die Sache ohne Schaden überstanden hatte. Glück gehabt.
    Trotzdem hatte ich ein schlechtes Gewissen. Sicher, Valenta erfüllte auch ohne mein Zutun das komplette Risikoprofil für einen Herzinfarkt: hundertfünfzehn Kilo, Cholesterin am oberen Anschlag, kaum behandelter Hochdruck, zwei Packungen Camel am Tag. Nur, da gab es keine Zweifel, den endgültigen Auslöser hatte ich geliefert. Schlimm genug, falls ich mit meinen Anschuldigungen recht haben sollte, und doppelt schlimm, hätte ich mich geirrt. Nur, das hatte ich nicht, da war ich ziemlich sicher.
    Gleichwohl humpelte ich mit einem unguten Gefühl meiner Schuld spät am Abend zum Krankenbesuch rüber auf die Intensivstation. Doch ich hatte Glück, Valenta war noch voll durch den Wind. Er flog zwar nicht wie neulich mein Patient Winter mit einem Luftwaffenbomber über London, dafür saß er aufrecht im Bett und gab, wie im richtigen Leben, in seinem dröhnenden Baß jede Menge todsichere Börsentips. Schade nur, daß seine Mitpatienten davon keinen Gebrauch machen konnten, wurden sie doch beatmet, schliefen tief im Heilkoma oder in einem anderen Zustand fehlenden Bewußtseins. Schade, denn sicher sind Aktienprognosen von bewußtseinsgestörten Intensivpatienten nicht weniger zuverlässig als von den hochdotierten Analysten bei meiner Bank.
    Als ich mir zwei Tage später erneut meine Krücken zum Besuch auf der Intensivstation griff, bekam ich eine weitere Gnadenfrist – an Valentas Bett saß meine Verdächtige Nummer eins, Schwester Renate. Ich zog mich diskret zurück, jedoch zu spät, Renate hatte mich gesehen und folgte mir.
    »Nur zu deiner Information, Felix. Valenta hat sein Ferienhaus schon vor über einem Jahr verkauft.«

    Das nächste Mal sah ich Schwester Renate am folgenden Tag nach der Visite, und zwar im trauten Zwiegespräch, mit einem alten Bekannten: Hauptkommissar Czarnowske. War es ihm noch vor mir gelungen, sie zu überführen? Würden gleich die Handschellen klicken?
    Nichts dergleichen geschah. Czarnowske bedankte sich höflich bei Renate – wofür, hätte mich sehr interessiert – und kam mir entgegen.
    »Freut mich, Sie wieder auf den Beinen zu sehen«, kurzer Blick auf meine Krücken, »mehr oder weniger. Sie sind also wieder im Dienst, höre ich. Das ist sicher auch für Ihre Patienten von Vorteil. Haben Sie einen Moment Zeit?«
    Hatte ich nicht, aber noch weniger Lust, daß er mich zu Hause bei Ally McBeal oder den Simpsons störte.
    »Machen Sie es kurz. Wir können für ein paar Minuten in mein Zimmer gehen.«
    Das gab mir Heimvorteil. Ich mit ärztlicher Autorität hinter meinem Schreibtisch, er auch heute wieder auf einem unbequemen Besucherstuhl, der zu neugierige Angehörige meiner Patienten daran erinnern sollte, sich kurz zu fassen. Als zusätzlicher Bonus schien ihm die tiefstehende Aprilsonne direkt ins Gesicht.
    Sonst das gleiche Ritual wie neulich, umständlich kramte er nach dem Notizbuch mit angebundenem Stift, dann war er bereit.
    »Was mich neben Ihrem schlechten Gedächtnis noch interessieren würde, Dr. Hoffmann: Haben Sie sich schon entschieden, welchem Hauspflegedienst Sie in Zukunft Ihre Patienten anvertrauen werden? Jetzt, wo Frau Seeger tot ist?«
    Noch war unklar, worauf er hinauswollte.
    »Die Frage hat sich bisher nicht gestellt. Aber mit Einführung der Pflegeversicherung sind diese Hauspflegedienste wie Pilze aus dem Boden geschossen, scheint ein ganz lukratives Geschäft zu sein. Ich sehe da keine Probleme.«
    Czarnowske nickte zustimmend.
    »Das habe ich auch gehört. Um so mehr wundert es mich, daß Sie Ihre Patienten fast ausschließlich an den Hauspflegedienst Süd vermittelt haben

Weitere Kostenlose Bücher