Department 19 – Die Mission
Mädchen? Wie hatten sie Larissa einfach zurücklassen können? Hatte denn keine sich die Mühe gemacht nach ihr zu suchen, als sie gegangen waren? Tief im Unterbewusstsein meldete sich eine sanfte Stimme und sagte ihr, dass alles gut werden würde, doch Larissa glaubte ihr nicht.
Sie glaubte vielmehr, dass das nicht einmal annähernd die Wahrheit war.
Ihr Elternhaus war dunkel, als sie zitternd, die Arme eng um den Leib geschlungen, die Auffahrt erreichte. Sie hoffte, dass ihre Eltern halb verrückt waren vor Sorge, doch zugleich wusste sie, dass dieser Wunsch vergeblich war. Sie hatten wahrscheinlich nicht einmal bemerkt, dass ihre Tochter nicht nach Hause gekommen war.
Larissa schlich die Treppe hoch – nicht, weil sie niemanden wecken wollte, sondern weil sie nicht wollte, dass man ihr Fragen stellte, auf die sie keine Antworten wusste. Sie würde sich ordentlich ausschlafen, in ihrem eigenen Bett, und dann Amber anrufen und herausfinden, was passiert war. Larissa zog sich aus, legte sich auf das Bett, wickelte die Decke um sich wie einen Kokon und schlief sofort ein.
Eine Stunde später wachte sie auf und vergrub das Gesicht in ihrem Kissen, um nicht laut zu schreien. Ihr Kopf drohte zu platzen, und hinter ihrer Stirn tobte ein riesiger Gewittersturm reinster Qualen, als hätte jemand mit einer Axt zugeschlagen. Sie rollte sich herum, das Kissen auf das Gesicht gepresst, die Augen weit vor Angst und Schmerz. Dann kam der Hunger, und sie krümmte sich wie ein Fötus zusammen. Dieses Verlangen war mit nichts vergleichbar, was sie jemals in ihrem Leben gespürt hatte, ein so gewaltiger Schmerz, als käme er von irgendwo außerhalb des Universums, eine unendliche, heulende Leere, die ihren gesamten Körper ausfüllte. Von Krämpfen geschüttelt, schrie sie in das Kissen und warf sich hin und her, als hätte sie einen epileptischen Anfall. Sie schrie und schrie und schrie, und nach einer wahren Ewigkeit, die wahrscheinlich nicht länger als eine Minute gedauert hatte, verging ihr Hunger schließlich.
Larissa schob das Kissen von ihrem Gesicht. Sie fühlte sich schwach wie ein Baby. Klebriger Speichel floss über ihre Wange und das Kinn. Sie stieß die Bettdecke von sich, rollte herum und aus dem Bett – doch sie prallte nicht auf den Boden.
Sie schwebte reglos dreißig Zentimeter über dem Teppich.
Verständnislosigkeit breitete sich in ihr aus, und sie wurde von einer so unermesslichen, tief greifenden Angst erfasst, dass sie erneut ohnmächtig zu werden drohte. Sie stieß die Hände nach unten und spürte das raue Material des Teppichs unter den Fingern, und ihre Sicht wurde wieder klar. Der Boden war immer noch da – wenigstens etwas. Sie drehte sich in der Luft um, während Tränen der Panik über ihre Wangen rannen. Dann war, was auch immer sie in der Luft gehalten hatte, plötzlich verschwunden, und sie krachte mit dem Gesicht voran unsanft auf den Boden.
Weinend rappelte sie sich hoch und stolperte aus ihrem Schlafzimmer ins Bad. Sie hatte kaum die Tür hinter sich geschlossen, als der Hunger erneut zuschlug und sie in die Knie zwang. Ein Vakuum brach in ihr auf und sandte Wellen aus Schmerz durch ihren Körper. Sie rammte sich eine Faust in den Mund und schrie, dass es ihre Stimmbänder zu zerreißen drohte. Sie fiel auf den Badezimmerboden und wand sich auf den kalten Fliesen, Krämpfe durchzuckten ihren ganzen Körper, und ihr Verstand war wegen der Ungeheuerlichkeit der Schmerzen völlig leer.
Zuckend und verzweifelt wartete sie flehentlich darauf, dass es vorüberging.
Irgendwann war es vorbei. Sie packte das Waschbecken und zog sich daran hoch. Es dauerte ein paar Sekunden, bevor sie die Person im Spiegel als sich selbst erkannte: Ihre Haut war leichenblass und schweißgebadet, sie zitterte am ganzen Leib, und als sie ihre Augen genauer betrachtete, durchfuhr sie ein eisiger Schreck, der sie erneut die Hand vor den Mund schlagen und schreien ließ.
Dunkles Rot breitete sich von den Augenwinkeln her zur Mitte hin aus, als würde Blut in ihre Augen hineintropfen. Die Farbe erfasste das gesamte Weiß und ließ die Iris pechschwarz erscheinen. Ihre Sicht war klar und ungetrübt, obwohl sie wünschte, es wäre anders – das Rot in ihren Augen schien beinahe lebendig, wirbelte und drehte sich wie ein Ölfleck auf dem Wasser, verdunkelte sich und pulsierte in einem trägen Rhythmus, der ihr den Magen umdrehte.
Wieder überkam sie der Hunger, ein Vorschlaghammer aus Schmerz und rasender
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