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Department 19 – Die Mission

Department 19 – Die Mission

Titel: Department 19 – Die Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Hill
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Liam hämmerte wütend gegen das Holz, doch sie wussten beide, wie das Spiel lief. Er gab bald auf und kehrte in sein Zimmer zurück.
    Vor dem Spiegel streckte Larissa die Zunge heraus und begutachtete den winzigen Schnitt, den ihre Zähne verursacht hatten. Sie saugte das Blut weg und beobachtete, wie es augenblicklich nachquoll. Dann putzte sie sich – vorsichtig – die Zähne und stieg unter die Dusche. Zwanzig Minuten später kam sie wieder heraus, ohne dass ihre Gedanken klarer geworden wären. Jedes Mal, wenn es ihr gelang, den alten Mann aus ihrem Kopf zu vertreiben und an etwas anderes zu denken – ihre Kursarbeit, die Kirmes, zu der sie und ihre Freundinnen am Abend gehen wollten –, tauchte er urplötzlich wieder auf, grinste sein freundliches Grinsen und starrte sie aus diesen weit geöffneten, freundlichen Augen an.
    Als sie zum Frühstück nach unten kam, die nassen Haare in ein Handtuch gewickelt, saßen ihre Eltern bereits am Tisch. Ihr Vater war in die Wirtschaftsseiten der Times vertieft, während er nach und nach eine halbe Grapefruit aß, und ihre Mutter knabberte wenig überzeugend an einer Scheibe Toast und starrte ins Leere. Keiner von beiden sprach ein Wort, als Larissa Platz nahm, sich Cornflakes in eine Schale löffelte und ein Glas Orangensaft einschenkte. Wieder überlegte sie, ob sie ihnen von dem alten Mann erzählen sollte, und wieder entschied sie sich dagegen.
    Sinnlos, überhaupt mit ihnen zu reden. Liam schien es ebenfalls zu spüren, auch wenn er sich weigerte, mit ihr darüber zu sprechen. Seit Beginn des Sommers schon war ihr Vater nicht mehr zu Liams Fußballspielen gegangen, ohne je eine Erklärung oder eine Entschuldigung angeboten zu haben – so, als hätte er einfach vergessen, dass er vorher regelmäßig dort gewesen war. Larissa wusste, dass es ihren Bruder tiefer verletzte, als er jemals zugeben würde, insbesondere gegenüber seiner älteren Schwester, doch er hatte seinen Vater nie nach dem Grund gefragt. Ganz offensichtlich gab es etwas, das wichtiger war als Fußball. Eine dicke Wolke aus Desinteresse hatte sich seit Anfang des Jahres über ihre Eltern gesenkt und machte keinerlei Anstalten, sich wieder zu heben. Larissa war sicher, dass es nichts bringen würde, ihnen von dem alten Mann zu erzählen, außer ein paar müden Vorschlägen, dass sie vielleicht einen Albtraum gehabt habe und dass es sicherlich nichts gebe, worüber sie sich Sorgen machen müsse.
    Selbst wenn sie ihnen erzählte, dass sie den Alten jetzt schon drei Nächte hintereinander gesehen hatte.
    Larissa aß schweigend ihre Getreideflocken, verabschiedete sich von ihren Eltern, als diese zur Arbeit aufbrachen, und ging dann nach oben. Als sie am Zimmer ihres Bruders vorbeikam, sah sie ihn in seiner Schuluniform am Schreibtisch sitzen und mit irgendjemandem am Computer chatten, wahrscheinlich einem seiner zahllosen Freunde, alles scheinbar identische pubertierende Jungs. Sie waren immer höflich und ausnahmslos schüchtern, wenn Larissa ihnen abends die Tür öffnete – und trotzdem bemerkte sie nahezu jedes Mal, wie der Blick der Jungen über ihre Brüste glitt, und das verursachte ihr Gänsehaut.
    »Morgen, Liam«, sagte sie.
    Er grunzte, und mehr würde sie von ihm, wie sie wusste, auch nicht als Antwort bekommen.
    Während der nächsten Stunden schob Larissa die Seiten ihrer Kursarbeit auf ihrem Schreibtisch hin und her. Dabei war sie mit den Gedanken überall, nur nicht bei Jane Austen. Sie machte sich etwas zu essen, lud ein wenig Musik aus dem Netz, legte sich aufs Bett, ging auf und ab und vertrieb sich irgendwie den Tag, bis es Zeit war, zur Kirmes zu gehen. Als sie das Haus verließ, stieg ihr Vater gerade aus dem Wagen und winkte ihr einen halbherzigen Gruß zu, den sie mit dem gleichen Mangel an Enthusiasmus erwiderte. Sie wollte an ihm vorbeihuschen, doch er hielt sie auf.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte er und musterte sie aus eingefallenen, müden Augen.
    »Mir geht es bestens, Dad«, entgegnete sie schnippisch. »Und dir? Alles okay?«
    Ihr Vater starrte sie an, dann senkte er den Blick.
    »Dachte ich mir doch.« Sie wandte sich ab und ging die Auffahrt hinunter zur Straße. Die Absätze ihrer Schuhe klapperten wütend auf dem Bürgersteig.
    Der Jahrmarkt fand nur einmal jährlich statt und war besonders bei den Teenagern und Kindern der Stadt beliebt. Die Kinder mochten den Autoskooter, die kleine Achterbahn, die Fassrolle und das Kettenkarussell. Die Teenager standen

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