Department 19 - Die Wiederkehr: Thriller (German Edition)
Schwarzlicht begeben hatte und die Mutter eines Agenten war, hatte sie Gegenstände anfordern können, die kein anderer Vampir in der Haft bekommen hätte, und das Beste aus der Situation herausgeholt. Mitten in ihrer Zelle lag der ovale Teppich aus dem Wohnzimmer ihres alten Hauses in Benchley, und darauf stand der Couchtisch, auf dem Jamies Vater jeden Abend die Füße hochgelegt hatte. An einer Wand stand die Kommode aus Maries früherem Schlafzimmer, darauf eine Sammlung von gerahmten Fotos, die ihren Sohn und ihren verstorbenen Ehemann zeigten. Das abgewetzte Ledersofa aus ihrem alten Wohnzimmer nahm den größten Teil der Rückwand ein, und ihr Bett verschwand unter einer fliederfarbenen Tagesdecke, an die Jamie sich noch aus seiner Kindheit erinnerte.
Seine Mutter hatte höflich, aber unnachgiebig ihr früheres Leben in diesen Betonwürfel tief unter der Erde importiert. Zu Jamies großer Erleichterung war wenigstens der Weihnachtsbaum verschwunden, der auf dem Couchtisch gestanden und mit farbigen LED-Leuchten gegen die Neonröhren an der Decke angeblinkt hatte.
»Hey, Mom«, sagte er und trat in die Zelle. »Wie geht’s immer?«
Marie Carpenter saß auf dem Sofa, hatte die Nase in ein Taschenbuch gesteckt. Sie sah auf, runzelte wie erwartet mit gespielter Überraschung die Stirn, lächelte dann strahlend und sprang auf. Sie kam ihm entgegen, und Mutter und Sohn umarmten sich in der Mitte des quadratischen Raums.
»Hallo, Schatz«, sagte sie und drückte ihn an sich. »Alles in Ordnung mit dir? Warst du heute unterwegs?«
Trotz der Uniform, die er trug, und der Dinge, die er getan hatte, war Jamie noch ein Teenager – und das niemals mehr als in Gegenwart seiner Mutter. Weil sie ihn so enthusiastisch umarmte, errötete er sofort, während auf seinem Gesicht ein breites Grinsen erschien. Dafür war er aus freien Stücken in die grausigsten Tiefen vorgedrungen, hatte mitten in einem alten Gebäude voller Toter gestanden und es mit dem gefährlichsten Ungeheuer der Welt aufgenommen – um seine Mutter wieder umarmen und die Liebe spüren zu können, die sie abstrahlte, wenn er mit ihr zusammen war: eine Liebe, deren wahren Wert er erst erkannt hatte, als sie ihm genommen worden war.
»Mir geht’s gut, Mom«, antwortete er. »Selbst?«
Marie drückte ihn ein letztes Mal an sich, bevor sie ihn freigab und einen Schritt zurücktrat, um ihren Sohn anzusehen. Sie begutachtete Jamie rasch von oben bis unten, musterte seine schwarze Uniform sichtlich stolz und verzog dann kurz das Gesicht, als sie das rosa Narbengewebe seitlich an seinem Hals sah.
»Oh, mir geht’s gut«, erwiderte sie. Wie jedes Mal ruhte ihr Blick noch eine Sekunde länger auf seinem Hals, bevor sie sich davon losriss und ein Lächeln aufsetzte. »Und wie geht’s Kate?«
Jamies Lächeln verblasste.
Sein Verhältnis zu seiner Mutter hatte sich nach ihrer Rückkehr aus Lindisfarne unendlich verbessert. Die Wahrheit über Julian Carpenter, über den Mann, der er wirklich gewesen war, und die näheren Umstände seines Todes hatten sie befreit; die düstere Melange aus Trauer und Verrat, die sie nach seinem Tod behindert und für die Jamie wider besseres Wissen seiner Mutter die Schuld gegeben hatte, hatte sich aufgelöst und einen Neuanfang ermöglicht. Er hatte ihnen weiterhin beiden gefehlt, jedem auf seine Weise, und Jamie hatte sich damit abgefunden, das das wohl immer so bleiben würde. Aber die Trauer schien jetzt beherrschbar zu sein. Was ihm als gähnender, nie auszufüllender Abgrund erschienen war, war jetzt nur noch ein Loch, tief und an den Rändern rutschig, aber etwas, das man umgehen konnte, ohne hineinzufallen. Zumindest meistens. Nur leider war es nicht mehr die einzige Fallgrube, denn nun gab es ein ähnlich großes Loch, über dem der Name Frankenstein stand.
Es hatte zäh begonnen, dieses Tauwetter zwischen Jamie und Marie. Es gab neue Komplikationen, nicht zuletzt durch die Verwandlung, die Marie dazu zwang, ihre Tage und Nächte in den Tiefen des Rings hinter einer Wand aus UV-Strahlen zu verbringen. Es gab so viel zu sagen, und während die beiden sich in den ersten Wochen an ihr neues Leben gewöhnten, wurde irgendwann auch alles gesagt.
Jamie entschuldigte sich für sein Betragen seit dem Tod seines Dads, schnitt seiner Mutter das Wort ab, als sie ihm versichern wollte, er brauche sich nicht zu entschuldigen, und sprach unbeirrbar weiter, bis alles heraus war. Marie hörte unter Tränen zu, bis er ausgesprochen
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