Department 19 - Die Wiederkehr: Thriller (German Edition)
während Lamberton schweigend hinaushuschte. Der älteste der drei Brüder Rusmanov war schlicht gekleidet: schwarzer Kittel, dicke Wollhose, Schaftstiefel und langer grauer Mantel. Er blieb mitten im Raum stehen, sah sich um und registrierte die luxuriöse Umgebung mit offensichtlichem Abscheu.
Lächerlicher alter Narr, dachte Valentin an seinem Schreibtisch sitzend. Hält sich noch immer für einen General, der auf einem Schlachtfeld Truppen kommandiert. Erbärmlich.
Valentin klappte ein mit Samt ausgeschlagenes, kunstvoll geschnitztes Holzkästchen auf und entnahm ihm eine rote Zigarette. Sie bestand aus türkischem Tabak, der reichlich mit Bliss – einer würzigen Mischung aus Heroin und Blut, von der er seit drei Jahrzehnten leicht abhängig war – versetzt war. Nachdem er sie mit einem Streichholz angezündet hatte, lehnte er sich in seinen Sessel zurück, während Valeri, der seit seiner Ankunft noch kein Wort gesprochen hatte, vor einem Regal stehen blieb, auf dem ein Glasbehälter stand, in dem drei Baseballs in einer klaren Flüssigkeit schwebten.
»Was hast du dir hierbei gedacht?«, fragte Valeri mit barscher, unfreundlicher Stimme.
» Ich habe mir gar nichts dabei gedacht«, antwortete Valentin, der sich dazu zwang, höflich zu bleiben. »Der Künstler hat es Three Ball 50/50 Tank genannt. Er heißt Jeff Koons.«
»Und das ist Kunst, was?«
»Ich denke schon.«
Valeri kehrte dem Regal den Rücken zu, tat seinen Inhalt mit einer Handbewegung ab. Er durchquerte das Arbeitszimmer mit drei großen Schritten, baute sich vor Valentins Schreibtisch auf und rümpfte die Nase wegen des Dufts der Zigarette in der Hand seines Bruders.
»Ist das Bliss?«, fragte er und spuckte das letzte Wort förmlich aus.
»In der Tat«, antwortete Valentin und klappte das Kästchen wieder auf. »Möchtest du auch eine?«
Valeri starrte ihn kalt an.
»Besitzt du überhaupt kein Schamgefühl?«, fragte er.
Valentin lächelte, inhalierte tief und atmete aus. Der Rauch stieg als dichte Wolke in die Luft und hüllte Valeris Kopf ein, bevor er sich verteilte.
»Anscheinend nicht«, sagte er leichthin.
Die beiden Brüder starrten sich sekundenlang an, bis Valeri weitersprach.
»Unser Bruder ist tot«, sagte er mit leidenschaftsloser Stimme.
»Ich weiß«, bestätigte Valentin. »Er ist seit über einem Vierteljahr tot.«
»Das scheint dich nicht besonders aufzuregen.«
»Dich etwa?«
Valeri richtete sich auf und funkelte seinen Bruder an.
»Alexandru und ich hatten vielerlei Meinungsverschiedenheiten«, sagte er langsam. »Aber er war trotzdem ein Blutsverwandter, und jetzt lebt er nicht mehr.«
»Richtig, er lebt nicht mehr. Aber wir sind noch da. Ist das Leben nicht herrlich?«
Valeri grunzte, ein tiefer, kehliger Laut, den sein Bruder mit einiger Mühe als ein Lachen erkannte.
»Du nennst das leben?«, fragte Valeri. »In diesem Schloss der Dekadenz von Lakaien und Speichelleckern umgeben?«
»Ja«, sagte Valentin, dem es erstmals nicht mehr gelang, den Stahl in seiner Stimme zu verbergen. »Das tue ich. Ich erinnere mich auch an deine Dienstboten in der Walachei, Valeri. Ich glaube, dass dir zu bestimmten Zeiten Hunderte von Männern und Frauen gedient haben.«
Valeri richtete sich steif auf.
»Damals war ich ein anderer Mann«, erwiderte er.
In der Tat, du warst ein Mensch, dachte sein Bruder. Das war etwas ganz anderes.
Valentin stand vom Schreibtisch auf und trat wieder an das Fenster mit Blick auf den Park. Er winkte Valeri zu sich heran, und nach längerer Bedenkzeit folgte der ältere Rusmanov seinem Wink. Neben seinem jüngeren Bruder stehend blickte Valeri auf die Lichter Manhattans hinaus.
»Warst du schon mal in New York?«, fragte Valentin.
»Niemals«, antwortete Valeri mit einer Grimasse. »Bis vor einer Viertelstunde habe ich nie einen Fuß in dieses elende Nest gesetzt, und ich wünschte, es wäre nicht notwendig gewesen.«
»Natürlich, natürlich. Du liebst die dunklen freien Flächen, die Wildnis unserer Jugend. Du bist ganz in Traditionen verhaftet, Valeri. Ich kritisiere dich nicht dafür, ich stelle nur die Tatsachen fest. Aber ich? Ich liebe den Lichterglanz, die belebten Straßen, den Lärm und das Treiben und das Leben der Großstadt. Ein amerikanischer Schriftsteller hat mal geschrieben: ›New York verfällt man augenblicklich, man verfällt ihm in fünf Minuten genauso wie in fünf Jahren.‹ Nun, ich lebe seit weit über einem Jahrhundert hier.«
»Wozu
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