Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige
Depression unter dem religiösen Blickwinkel, dann kann in dessen Licht eine Geisteskrankheit eine gerechte Strafe sein (Schuld). Es kann jedoch auch sein, dass eine gute Verankerung im Glauben eine Heilung vereinfacht (Gnade). Wenn auch der »Schuld-Wahn« (eine spezifische Perspektive eines Patienten) aus psychiatrischer Sicht nicht zu widerlegen ist, sollte er, wie jeder andere Wahn (Minderwertigkeit oder Ängste zum Beispiel) therapiert werden, um dem »armen Sünder« die psychiatrische Absolution zu erteilen und sein Leben zu erleichtern.
Phänomen »Burnout«
Ein Exkurs ins Wirtschaftsleben ist hier aus zwei Gründen sinnvoll. Erstens kommt gegenwärtig keine Abhandlung auf dem Gebiet der psychischen Störungen darum herum, sich mit dem Phänomen Burnout zu befassen. Zweitens haben doch viele Depressionen ihren Ursprung im Berufsleben des Betroffenen.
»Die Zeit« (2011/49, S. 39-41) widmet dem Thema eine Artikelserie unter der schönen Titelschlagzeile »Noch jemand ohne Burnout?«. Basierend auf Aussagen des Leipziger Psychiaters Ulrich Hegerl (siehe Geleitwort) und des Münsteraner Psychoanalytikers Markus Pawelzik stellt sie lapidar fest: »Viel zu rasch wird sie gestellt, die Modediagnose Burnout. Oft soll sie nur den Raubbau an den eigenen Kräften entschuldigen. Die Unschärfe des Begriffs macht es Betroffenen schwer, die richtige Hilfe zu finden.« Und »Die Vokabel steht mittlerweile für fast alle Arten psychischer Beschwerden, die in Verbindung mit hoher Arbeitsbelastung auftreten.«
Der Begriff Burnout ist vergleichsweise jung. Er wurde wie erwähnt 1974 von einem Psychoanalytiker in den USA erfunden. Er ist wissenschaftlich nicht definiert, jedoch bezeichnet er in der Regel eine Erschöpfungsdepression. Ein Burnout verschwindet nach einer »Auszeit« des Betroffenen von etwa einem Monat ohne therapeutische oder pharmakologische Nachhilfe – dank der Selbstheilungskräfte des Körpers. Bei einer Depression hingegen ist nach Ulrich Hegerl ein (einsamer) Urlaub mit seinen »Grübel-Möglichkeiten« kontraproduktiv. Im Gegensatz zu einem Burnout muss eine Depression, sei sie nun leicht oder schwer, mit allen zur Verfügung stehenden und angebrachten therapeutischen Mitteln behandelt werden – und ein Ende ist, zumindest anfangs, nicht absehbar.
John P. Kummer hat sich in seinem Tatsachenbericht ausführlich mit dem Phänomen Burnout beschäftigt. Wie er dort ausführt, ist es von der eigentlichen Depression nicht immer leicht abzugrenzen.
Laut Untersuchungen sind vom Burnout vor allem Menschen (etwa gleich viel Männer wie Frauen) mit sozialen Berufen betroffen: Pflegepersonal, Ärzte und Lehrer. Bekannter werden uns Fälle aus dem Wirtschaftsleben sein – auf die sich auch die »Zeit«-Artikel beschränken. In der Schweiz wurde der Begriff in den neunziger Jahren durch das »Outing« eines Parlamentariers und Parteipräsidenten einem weiteren Publikum geläufig. Man war landesweit erstaunt, dass ein erfolgreicher und weitherum beliebter Anwalt und Politiker ganz einfach und plötzlich in den Ausstand gehen musste und von der Bildfläche verschwand. Nach einigen Monaten tauchte er wieder geheilt auf.
Nach Ulrich Hegerl (a.a.O.) besteht nur in 20 bis 30 Prozent der Fälle ein Zusammenhang zwischen harten Arbeitsbedingungen und einer Depression. Die Ursachen und Auslöser sind also im weiteren, nichtbetrieblichen Umfeld zu suchen. Sie können weitgehend unter dem Begriff »Stress« zusammengefasst werden, also einer Diskrepanz zwischen Ansprüchen (von außen oder eigene) und Wirklichkeit. Neben der düsteren Weltlage ist die Sicherheit des Arbeitsplatzes in entsprechenden Umfragen das Sorgenthema Nummer 1. In Unternehmen zwingen ständige Umstrukturierungen die Mitarbeiter dazu, immer wieder umzudenken. Unabhängig von ihrem Beruf stellen sich diese oft die Frage nach dem Sinn ihres Handelns, die manchmal schwer zu beantworten ist. Häufig liegt der Grund für eine Depression auch in zwischenmenschlichen Differenzen (im Betrieb, aber auch in der Partnerschaft oder der Familie). Wenn jemand seiner Aufgabe körperlich, geistig oder seelisch nicht gewachsen ist, entsteht ebenfalls Stress aufgrund von Überforderung.
Stress entsteht auch dadurch, dass man sich nicht mehr erholen kann, weil man meint, man müsste immer und überall angerufen und gefragt werden können. Laut dem Magazin »Der Spiegel«, (30/2011, S. 60) sind 88 Prozent der Berufstätigen zu Hause und am Wochenende erreichbar. Auch
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