Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige
einerseits an den Bau- und Umzugsstress zu denken, andererseits an den Umstand, dass am alten Ort (hoffentlich) ein Beziehungs- und Hilfsnetzwerk mit Nachbarn und Bekannten bestand, das in der neuen Umgebung erst wieder aufgebaut werden muss. Und nachbarschaftliche Hilfe oder Unterstützung und Entlastung durch den Freundinnenkreis kann bei einer PND sehr wichtig und heilsam sein. Es braucht nicht betont zu werden: Auch Großeltern, andere Verwandte und Geschwister sind gefragt und können eine große Hilfe sein.
Hat die Frau in den folgenden Jahren die Schwierigkeiten der Kindererziehung, der Partnerschaft oder im Beruf gemeistert, ohne das seelische Gleichgewicht zu verlieren, so wird sie später mit der Menopause konfrontiert. Hier gibt es neben den mehr oder weniger schmerzhaften körperlichen Veränderungen der Wechseljahre mehrere seelische Klippen: Das Älterwerden, der Verlust der Fruchtbarkeit, das Leerwerden des familiären Nests. Auch hier sind die Frau, ihre Familie und die Umwelt wieder gefordert. Hilfreich ist es für die Betroffene, wenn sie diese Lebensphase nicht als Ende, sondern als Neuanfang auffassen kann. Die Hilfe einer Fachkraft kann hier unschätzbar sein. Und die Enkel sorgen für neues Erleben – bei Familienmüttern. »Singles« sind hier schwereren Herausforderungen ausgesetzt. Aber auch hier hilft der Blick nach vorn.
Männerheldentum
Wenn auch Depressionen bei Männern weniger häufig auftreten als bei Frauen, so können Veranlagung, berufliche oder gesellschaftliche Misserfolge, Schwierigkeiten in der Partnerschaft usw. auch beim vermeintlich starken Geschlecht aufs Gemüt schlagen bzw. zu seelischen Erkrankungen führen. Während der Weg in die Depression bei Frauen meist ein direkter ist, scheinen bei Männern oft zuerst körperliche Symptome wie Bluthochdruck oder Herz-Kreislauf-Störungen aufzutreten.
Können sich kleine Kinder schlecht über ihre Gemütslage äußern, so gilt dies auch für »große« Männer. Sie zeigen meist schlechte Laune und Aggressivität. Männer meinen oft, seelische Verletzlichkeit nicht zugeben zu dürfen. Sie seien doch Manns genug, vorübergehende Stimmungstiefs zu meistern. »Ich zum Psychiater?« Partnerinnen und Freunde, die solche Ratschläge geben, müssen sich mit viel Geduld wappnen. Für Kinder ist es schwer, einen depressiven Vater zu haben und für diesen womöglich noch schwerer, seine väterliche Glorie, Autorität, Erziehungskunst und Fürsorge (vorübergehend) einer Depression zu opfern. Aber gerade weil die familiäre Situation so schwierig ist, hat der Familienvater die Pflicht, möglichst rasch Hilfe zu suchen, um aus seinem Tief herauszukommen und seine Aufgaben wieder wahrzunehmen. Solche überwundenen Krisen stärken meist den partnerschaftlichen und familiären Zusammenhalt.
Etwas leichter fällt es der »Dornenkrone der Schöpfung« (Stanis ł aw Jerzy Lec), ein »Burnout« zuzugeben. Auf alle Fälle ist es als mögliche Depression ernstzunehmen. Da Körper und Seele meist nicht erkrankt, sondern nur überbeansprucht sind und die Notbremse gezogen haben, ist eine vergleichsweise rasche Heilung garantiert. Vorausgesetzt, die auslösenden Stressfaktoren werden eliminiert, und der alte Trott wird nicht sofort wieder aufgenommen.
Ich muss noch auf zwei verhängnisvolle Wechselwirkungen aufmerksam machen: Eine beginnende Depression wird oft in »Selbstmedikation« mit Alkohol oder anderen Drogen bekämpft, und das am Anfang nicht selten mit Erfolg. Entsteht daraus aber eine Abhängigkeit, so führt das schlechte Gewissen seinerseits in die Depression. Dann das sexuelle Wollen und Können: Zwar kennt der Mann keine eigentliche Menopause, aber die Produktion seiner Geschlechtshormone geht etwa ab der Lebensmitte zurück und damit auch seine Manneskraft und -lust. Dies empfinden viele Männer als den Anfang vom Ende, und die seelische Störung ist nicht weit. Meistens geht auch bei Männern mit normalem Hormonspiegel in der Depression die Libido zurück, oft noch verstärkt durch die Wirkung von Antidepressiva.
Der Duft der Gruft
Von älteren Menschen wird erwartet, dass sie weise, abgeklärt und gefasst sind. So will es die Konvention. Dabei schwankt ihre Psyche stärker als in der Lebensblüte. Vielleicht weist die Kurve mehr Täler als Höhen auf. Das ist normal. Nicht normal ist, wenn gelegentliche Trübsal zum ständigen Lebensekel wird. Dagegen muss etwas getan werden. Vielleicht sagen sich die älteren Leute: »Nur Geduld,
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