Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige
bald werde ich sowieso erlöst sein.« Das ist eine falsche Einstellung! Je kürzer die noch zu erwartende Lebensspanne ist, desto wertvoller ist jeder Tag, den wir gut verbringen. »Gut« kann heißen frohgemut, zufrieden, mit einer angenehmen Tätigkeit. Falls sich ältere Menschen hier stur zeigen, müssen die Angehörigen tätig werden. Übrigens sind Besuche bei fröhlichen älteren Menschen angenehmer als Pflichtübungen bei Trübsalblasern – und damit häufiger …
Faktum ist: Die Auslöser für eine Depression häufen sich im Alter: Ausscheiden aus dem Berufsleben (man kann nicht mehr befehlen), Partnerverlust (man kann nicht mehr streiten), Vereinsamung (man wird nicht mehr gebraucht), Abnahme der Körperkräfte, Wegfall der sexuellen (Anziehungs-)Kraft, die Aussicht, dass es nur noch abwärts geht, Schmerzen und Krankheiten in zunehmender Vielfalt, das Nahen des Todes, Verbitterung, Resignation, Verlust der Hoffnung, des Lebenswillens, des Lebenssinns.
All das muss nicht sein!!! Das Alter(n) ist nicht von vornherein deprimierend! (Siehe dazu auch Simmen, Maria, »Ich bin ganz gerne alt«, 2004.) Es gibt glückliche Patriarchen, nützliche Großmütter, aktive Senioren. Die Altersdepression ist kein hinzunehmendes Schicksal, man darf sich nicht dem Irrtum hingeben, Melancholie und Perspektivlosigkeit seien unvermeidlich. Die wenigen Jahre, die noch bleiben, dürfen doch nicht in Depressionen vertrödelt werden. Beratungen und Medikamente sind nicht den Jungen vorbehalten. Entscheidend ist auch, dass der Arzt, der einen älteren Menschen wegen irgendeines körperlichen Leidens behandelt, nach möglichen seelischen Ursachen forscht.
Freilich ist es schwierig, ältere Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass sie eventuell unter einer seelischen Krankheit leiden (die oft von einem körperlichen Leiden ausgelöst wurde) und dass es sich lohnt, diese zu bekämpfen. Die Diagnose ist oft schwierig: Die ältere Generation ist es nicht gewohnt, sich über Befindlichkeiten zu äußern, schon gar nicht Jüngeren gegenüber. Falsch verstandenes Heldentum oder Scham (die Angst, verrückt zu werden) sind sehr verbreitet. Auch die Nebenwirkungen von Medikamenten können aufs Gemüt schlagen. Viele Depressionssymptome unterscheiden sich leider kaum von »gewöhnlichen« somatischen Altersbeschwerden.
Depressionssymptome wie Gedächtnisschwäche, Konzentrationsschwierigkeiten usw. werden durch den Betroffenen und seine Angehörigen dem allgemeinen geistigen Abbau oder gar einer beginnenden Demenz zugeschrieben. So einen Prozess als gottgegeben hinzunehmen heißt, vor seiner vermeintlichen Irreversibilität zu kapitulieren und das Leben abzuschreiben.
Das darf nicht sein! Auch Senioren müssen veranlasst werden, sich einer Diagnose durch eine Fachkraft zu unterziehen. Die Aufhellung der »alten Tage« ist ein Rechtsanspruch der älteren Generation. Auch der ältere Mensch ist ein Mensch, nicht irgendein noch für kurze Zeit dahinvegetierendes Wesen. Für den Diagnostiker ist es unerlässlich, messerscharf zwischen (heilbarer) Depression und beginnender Demenz zu unterscheiden! Ein Hinweis: Solange der Betroffene sich über seinen Zustand wachen Geistes beklagt, ist von einer Depression auszugehen.
Durch eine Depression im Alter wird die Eltern-»Kinder«-Beziehung oft aufs Schwerste belastet. Die Großeltern wollen ihre Kinder und Enkel nicht mit ihren Problemen behelligen (oder werden umgekehrt zu Hypochondern). Die (oft eingebildete) elterliche Autorität verschwindet oder verkehrt sich ins Gegenteil. Viele Töchter und Söhne wollen ihren Eltern nicht dreinreden oder fühlen sich gar für deren Stimmungslage (mit-)verantwortlich. Sie kommen sich illoyal vor, wenn sie bei ihren Eltern eine psychische Erkrankung feststellen und deren Leugnung oder Beschönigung nicht mitmachen wollen. In vielen Fällen ist es aber lebenswichtig, dass die jüngere Generation die Initiative ergreift und die nötigen Maßnahmen trifft, z.B. die Anmeldung bei einem Arzt oder Psychologen.
Bei viel Einsicht auf der einen und Geduld und Initiative auf der anderen Seite können die verbleibenden Lebensjahre für alle Beteiligten beglückend und bereichernd sein.
Was hast Du denn? – Hinweise für die Diagnose
Die häufigste Krankheit ist die Diagnose (Karl Kraus)
Wir fühlen oder sehen es: Irgendetwas stimmt nicht mit unserem Freund oder Partner. Im günstigen Falle wird er uns ins Vertrauen ziehen, dass er – seiner Meinung nach
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