Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige
führt das sexuelle Desinteresse die Partnerin oft zum Schluss, »er habe eine andere« – was der Stimmung und der Partnerschaft natürlich nicht förderlich ist. Solche Zweifel müssen angesprochen und ausgeräumt werden.
Ferner ist auf die Wirkung der Psychopharmaka, besonders wenn diese beruhigend eingesetzt werden, zu achten. Es gibt aber Mittel, die diese »Nebenwirkung« nicht haben – oder gar in die andere Richtung wirken.
Die partnerschaftliche Beziehung ist in Bezug auf körperliche Liebe in Gefahr. Auch wenn vor der Erkrankung Sex und Erotik eher am Rande der Beziehung standen, hatte man doch die Möglichkeit, auf diese Weise einen Streit zu beenden. Dieses »Lösungsmittel« entfällt nun. Man hat auch keine Lust, sich abweisen zu lassen – und so entfernt man sich immer weiter voneinander. Der Spruch, dass die Zeit alles heilt, kann richtig sein oder auch nicht, wir müssen die Entwicklung genau im Auge behalten. Außerdem ist es schade um die verlorene Zeit. Nörgelnde Bemerkungen führen allerdings zu nichts, aber wir müssen auch auf unsere Bedürfnisse achten. Verdrängen oder Mitleiden schaden uns. Eher früher als später, bevor eine gegenseitige Verbitterung Platz greift, ist eine Paartherapie ins Auge zu fassen – die auch generell gegen die Depression wirken kann.
In der Zwischenzeit tut es uns vielleicht gut, um den Partner zu werben wie am Anfang der Beziehung. Sich vor Augen zu führen, dass der Partner im Grunde ein liebens- und begehrenswerter Mensch ist, auch wenn er momentan zu keinem Echo fähig ist. Ein Strauß auf dem Frühstückstisch, eine Praline auf dem Kopfkissen – Kleinigkeiten, die uns daran erinnern, dass es noch anderes gibt als Angst und Sorgen – und dass in den meisten Fällen mit Besserung gerechnet werden kann.
Kindheit in der Vorhölle
Sind Kinder im Haushalt eines Erkrankten, entsteht eine Konstellation, die man durchaus als Dreiecksbeziehung bezeichnen könnte. An den Ecken stehen der Patient, die Betreuer und die Kinder. Die Beachtung der »Kinderecke« ist äußerst wichtig, wird doch ihr Erleben in einer Weise beeinflusst, die Auswirkungen auf die Entwicklung, ja auf das ganze Leben der Kinder haben kann.
Haben schon wir Erwachsenen Mühe, die Krankheit und den Patienten zu verstehen, so ist die Lage für die Kinder je nach Alter, Charakter und Aufgeklärtheit ungleich bedrohlicher und seltsamer. Sie verstehen ihre Eltern – Patient und Betreuer – nicht oder machen sich ein falsches Bild, das heißt, sie suchen oft die Ursache bei sich selber.
Dies hat die schwerwiegende Folge, dass sie zu grübeln beginnen, was sie falsch gemacht haben, dass ihr Papa, ihre Mama so gereizt oder teilnahmslos sind. Da sie die allgemeine Lage nicht überblicken und schon gar nicht beeinflussen können, beziehen sie sie oftmals auf sich selber. Sie meinen, sie seien schuld an der Situation.
Wir haben es beim Thema Überforderung gesehen: Kinder versuchen, sich anzupassen, nicht aufzufallen, gleichsam erwachsener zu sein als sie es dem Alter nach sind, auf den Zehenspitzen durch das Haus und durchs Leben zu schleichen. Oft übernehmen sie jedoch auch Verantwortung, der sie aufgrund ihres Entwicklungsstandes nicht gewachsen sind. In beiden Fällen ist ihr Kind-Sein gestört, sie können ihre Kinderzeit nicht altersgemäß ausleben und genießen.
Wer in der Depression gefangen ist, ist oft nicht in der Lage, auf andere Menschen einzugehen, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, nicht einmal in die seiner eigenen Kinder. Er ist weit weg und mit sich selber beschäftigt. Und wir Betreuer haben den Kopf voll mit anderen, vermeintlich schwereren Problemen, sodass wir dankbar sind, wenn die Kinder keine Umstände machen oder gar einen Teil der Haushaltsverantwortung übernehmen.
Dabei ist es für das gegenwärtige Wohlbefinden und für die zukünftige Entwicklung entscheidend, dass die Kinder über die Krankheit und über das Fühlen und Denken des Kranken im Bilde sind. Kleine Kinder, die noch mehr fühlen als denken können, sind darauf angewiesen, dass sie die gewohnte Ration an Zuneigung und Wärme bekommen – die die depressive Mutter oft nicht geben kann. Kleine Kinder können auch ihrem Erleben kaum Ausdruck geben. Umso mehr Aufmerksamkeit muss ihnen zuteil werden.
Somit haben wir Angehörige nicht nur den in der Depression Versunkenen, sondern auch noch Kinder zu betreuen. Unnötig zu sagen, dass es unmöglich ist, die Krankheit vor den Kindern – gleich
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