Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige
Sachlage, sind aber zu diskret, um einzugreifen – und schon ist die Entfremdung eingeleitet. Aber oft haben Freunde und Bekannte selbst Erfahrungen mit Depression gemacht, die sie weitergeben können und möchten. Wenn auch kein Fall mit dem anderen identisch ist, sind doch Hinweise auf mögliche Maßnahmen und deren (positive und negative) Auswirkungen allemal nützlich. Bei Menschen mit ähnlichen Erfahrungen fällt auch die Aufrechterhaltung des Kontakts leichter – und die »Instruktionen« können verkürzt werden.
Die Kontaktpflege besteht freilich nicht nur im Empfangen von Besuchen und in der Weiterführung der Familienfeiern, sondern schließt auch eigene Besuche ein. Oftmals meint der Kranke im letzten Moment, er sei außerstande, an einer Welt teilzunehmen, der er momentan nicht angehört. Kommt er nicht zu einer Einladung, so ist das ein kleineres Problem, wenn die Gastgeber eingeweiht sind; ein größeres allerdings, wenn dies nicht der Fall ist. Kommt er trotz Unlust, kann seine Stimmung auf die übrige Gesellschaft »abfärben«, andere Gäste können mit seinem Verhalten nichts anfangen.
Dass das Ganze für uns Angehörige mit seelischem Stress verbunden ist, versteht sich von selbst. Kommt er, kommt er nicht, sind alle Anwesenden aufgeklärt? Wir haben uns doch doppelt gefreut: Erstens, weil wir ihn aus seiner Höhle hervorlocken konnten, und zweitens, weil wir selber wieder mal unter Leute kommen.
Kommt er mit, müssen wir auf sein Verhalten aufpassen – und auf die Konversation, die ihn nicht verletzten sollte. Wir müssen immer bereit sein, wieder etwas geradezubiegen oder zu erklären. Gehen wir allein zu der Einladung, ist das vielleicht ein Jungbrunnen für uns – wenn es uns gelingt, die Sorgen um den Zurückgelassenen in den Hintergrund zu drängen: Endlich einmal ein paar Stunden dem Trott entkommen! Bis mitfühlende Leute nach dem Befinden des Partners fragen …
Hier lauert wiederum die Gefahr des Vereinsamens. Nach einigen Frustrationen – berechtigt oder unberechtigt – verzichten unsere Freunde darauf, uns gemeinsam einzuladen. Umso wichtiger sind hier wiederum die Kontaktpflege und die Bereitschaft, allein an Einladungen und anderen Anlässen teilzunehmen.
Eine weitere Aufgabe, die in diesem Zusammenhang auf uns zukommt, darf nicht vergessen werden: Die gesamte familiäre Korrespondenz: Geburtstagsbriefe, Weihnachtskarten, Geschenke, Telefonate – all dies gehört nun auch zu unseren Aufgaben falls wir sie bisher noch nicht wahrgenommen haben.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch unser übriges Leben außer Haus schwierig geworden ist, handle es sich um simple Spaziergänge, sportliche Tätigkeiten oder Reisen. Wir müssen uns daran gewöhnen, viele Tätigkeiten, die wir gemeinsam ausübten und die für unsere Beziehung wohltuend und wichtig waren, nunmehr allein zu machen (und ja nicht aufzugeben). Wir müssen Reisen absagen, denn für längere Zeit können wir unseren Schutzbefohlenen nicht allein lassen – außer er ist bereit, sich unterdessen z.B. in klinischen Schutz zu begeben.
Das familiäre Zusammenleben scheint nicht mehr zu existieren, die Gemeinschaft ist bedroht! – Vielleicht lässt diese Bedrohung uns und auch den Kranken die Wichtigkeit des familiären Zusammenhaltes wieder bewusst werden.
Materielle Ungewissheiten
Last but not least wird die familiäre Situation durch die Frage belastet, wie es finanziell weitergehen wird. Existenzängste plagen den Kranken. Die finanzielle Ungewissheit ist mit der beruflichen verquickt: Wann werde ich wieder arbeitsfähig? Wie wird die Zeit bis dahin überbrückt? Was für Aufgaben werde ich in Zukunft wahrnehmen können? Werde ich mein früheres Gehalt wieder erreichen? Hält mir der Arbeitgeber die Stange, hat er die Möglichkeit dazu? Gibt es im Betrieb Aufgaben, die weniger Stress erzeugen, die eine Überforderung vermeiden?
Alles Fragen, die den in seiner Depression Gefangenen umkreisen und umtreiben, ohne dass er zu ihrer klaren Beantwortung fähig ist. In der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation sind die Arbeitgeber weniger bereit, auf einen Mitarbeiter zu warten. Karriereleitern sind für Depressionsbetroffene schwieriger zu erklimmen. Der Arbeitgeber betrachtet seinen Mitarbeiter als Risiko oder Unsicherheitsfaktor, auf der höheren Leitersprosse wird voller Einsatz nötig sein usw.
Lange Klinikaufenthalte können selbst bei Versicherungsdeckung sehr ins Geld gehen. Die Erkrankung an einer
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