Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige
Depression bringt alle möglichen Mehrausgaben mit sich: für Kinderbetreuung, nicht versicherte Behandlungen, Taxifahrten usw.
Gut, dass der Kranke uns als versierten Betreuer an seiner Seite hat! Wir können an seiner Stelle eine Reihe von Maßnahmen treffen, um den Berg der Ungewissheiten zu verkleinern. Da dies seine Sorgenlast verkleinern kann, führe ich sie hier auf, obwohl sie streng genommen in das Kapitel »Was können wir tun?« auf S. 124 ff. gehören.
Wir können ein Budget erstellen bzw. ein bestehendes Budget anpassen, nach finanziellen Hilfsquellen forschen und diese anzuzapfen versuchen. Wir können mit dem Vorgesetzten im Betrieb Szenarien aufstellen für die Zeit »danach«.
Überlegen wir uns, ob unser Freund mit seiner Aufgabe glücklich war bzw. in welche Richtung sein Berufsweg gehen könnte. Ist der Patient in der Lage, an diesen Planungen mitzuwirken, umso besser. Planen und Hoffen sind zukunftsgerichtet und lassen die missliche Gegenwart weniger wichtig erscheinen.
Dieser Blick in die Zukunft soll dem Verzweifelten Hoffnung geben. Vielleicht entspricht ihm die ermittelte, intern oder extern gefundene neue Aufgabe besser und er hat dort weniger Stress. Vielleicht ist er an einer neuen Arbeitsstelle zu innovativeren Leistungen fähig. Die Einkommenssituation verbessert sich ebenso wie das allgemeine Lebensgefühl und die Lebenslust des Depressionsgefährdeten – und seiner Familie.
So lautet der wenig originelle Rat für Patient und Betreuer: den Mut nicht verlieren, Geduld haben und nicht zögern, professionelle Hilfe zu beanspruchen – sei es auf psychiatrischem Gebiet, sei es durch Anklopfen bei den vielen sozialen Beratungsstellen und Hilfsdiensten. Nehmen wir auch das eigene Beziehungsnetz von Verwandten und Freunden in Anspruch, die uns unter die Arme greifen wollen und können. Oft sehen wir die Dinge weniger schwarz, wenn wir nur mit jemandem über unsere Sorgen sprechen können.
Die Familie: Ein anderes Bündnis
Ist eine Depression in den engeren Kreis unserer Partnerschaft oder Familie eingebrochen, verändern sich nicht nur der depressionsbetroffene Mitmensch und unsere praktischen Lebensumstände, sondern auch wir selbst verändern uns, und damit unsere Beziehung zum Erkrankten. Wir sind sehr eng und direkt einbezogen in das Krankheitsgeschehen.
Der Hausdämon
Der Kranke wirkt durch sein Befinden auch auf das unsrige. Er grübelt, er möchte ständig diskutieren – dabei sind seine Gedankengänge oft unlogisch, nicht nachvollziehbar oder für ihn schädlich. Er bezieht unsere Entgegnungen sofort als Kritik auf sich, reagiert störrisch oder resigniert oder schuldbewusst. Manchmal kommt er uns vor wie ein zusätzliches Kind in der Familie. Wir müssen für seine Seele sorgen und ihre Abgründe ausloten.
Und gerade dies fällt uns oft sehr schwer. Wie sollen wir dieses »Kind« behandeln? Wieviel Festigkeit unsererseits erträgt es, was wirkt, was wirkt nicht, was wirkt kontraproduktiv? Können wir alles hinunterschlucken, prallt es an uns ab oder greift es unser eigenes seelisches Befinden an? Wir sind hin- und hergerissen zwischen Liebe und Frust. Ist uns unser Partner für gute und schlechte Zeiten angetraut oder müssen wir um unser eigenes Überleben kämpfen? Unser Partner kämpft ja auch ums Überleben – auf seine Art.
Alle diese bangen Fragen verfolgen uns umso mehr, je länger die Krankheit dauert. Sind wir am Anfang bereit, unserem Hausdämon Reverenz zu erweisen, wird das auf lange Sicht sehr mühsam und zehrt an den eigenen Kräften. Wir sind es uns selber schuldig, die Fragen genau und ehrlich anzuschauen und nach Lösungen zu suchen – auch mit Hilfe Außenstehender. Einsame Entscheidungen sind gefährlich, aber unsere Bedürfnisse und Ansprüche sollten wir auch dem Kranken gegenüber kundtun.
Austausch adé
Partner, wohin bist du entschwunden? Unser liebster Gesprächspartner, mit dem wir unser Leben, unsere Gedanken, unsere Ängste und Sehnsüchte teilen konnten, ist weg! Abgetaucht in die Depression, wo er mit sich selbst mehr als beschäftigt ist. Er kann oft kein Partner, kein Kamerad sein, wenn er es auch noch so sehr möchte. Seine Ängste und Sorgen türmen sich himmelhoch vor ihm auf. Entweder wird er einsilbig, verstummt oder seine Reden drehen sich nur um ihn, seine Mühsal und sein Befinden.
Wir sind eine reine Wohngemeinschaft geworden, eine unsichtbare Wand hat sich zwischen uns aufgerichtet. Kein geistiger Austausch ist mehr möglich.
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