Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige
Wie und wo können wir helfen?
Wie helfen?
Zum Anfang eine ganz eindringliche Warnung: Es wäre von Grund auf falsch zu glauben, dass wir Angehörigen unsere lieben Depressionskranken heilen können. Alles, was wir tun können, ist ihnen (und uns) das Leben etwas erleichtern.
Darauf komme ich im Kapitel »Wir sind keine Wunderheiler« (siehe S. 148) im Einzelnen zurück. Hier nur so viel: Dass wir nicht Gott sind, haben wir wohl schon vor längerer Zeit herausgefunden. Aber selbst wenn wir ausgebildete Ärzte oder Psychotherapeuten wären, sollten wir davon absehen, einen uns nahe stehenden Depressionskranken heilen zu wollen. Selbstverständlich erleichtert uns eine psychiatrische oder psychologische Ausbildung die Pflege des Kranken und den Verkehr mit ihm: Wir können unseren Umgang mit ihm optimieren. Wir können besser abschätzen, was in ihm vorgeht, wir können vielleicht mehr Geduld mobilisieren, wir können die traurigen Tatsachen nüchterner annehmen und geistig bewältigen. Aber die Heilungsbemühungen sollten wir einer weniger nahe stehenden Person überlassen. Wenn wir daran denken, dass die nötigen Therapiegespräche oft sehr tiefgehen müssen, wird uns das sofort klar.
Übrigens: Wir Angehörige können den Arzt nicht ersetzen, aber ebenso wenig kann der Arzt den Betreuer ersetzen. Ideal für die Behandlung des Kranken – und für das Überleben unsererseits – ist eine Dreiecksbeziehung. Die zwei Ecken des Dreiecks »Fachperson« und »Betreuer« können natürlich auch mehrfach belegt sein.
List und Liebe: Wie vorgehen?
Wir sind also weder Arzt noch Therapeut des Depressionsbetroffenen. Aber wir haben es aus irgendwelchen Gründen übernommen, sein Betreuer zu sein. Wir sind seine wohl wichtigste Bezugsperson, uns vertraut er, uns schnauzt er an, uns belastet er mit seinem Jammerzustand. Er ist auf uns angewiesen. Dies stört ihn zuweilen sehr. Ein anderes Mal sind wir seine einzige Rettung.
Wie begegnen wir dem Untergetauchten?
C’est le ton qui fait la musique – der Ton macht die Musik. Organisatorische Umsicht, sprachliches Geschick und seelische Ausgeglichenheit sind von uns gefordert. Nur wenn wir uns der besonderen Verletzlichkeit des anderen bewusst sind und entsprechend auf ihn eingehen, können wir hoffen, dass er sich öffnet und Vertrauen fasst und dass unsere Bemühungen, ihm sein Leben zu erleichtern und seinen Heilungsprozess zu unterstützen, Erfolg haben. Ein jeder, der sich vorgenommen hat zu helfen, wird Wege finden, dem Betroffenen seine Anteilnahme zu zeigen, und sei es nur durch sein Dasein.
Nicht überheblich sein
Wie sollen wir uns also verhalten? Wenn wir uns nicht tief in den Seelenzustand unseres Freundes hineinversetzen, riskieren wir, alles falschzumachen. Er tut uns leid – ihn zu bemitleiden ist falsch. Er ärgert uns – ihn auszuschimpfen ist falsch. Er geht uns auf die Nerven – ihn nicht zu beachten, um unser seelisches Gleichgewicht zu bewahren, ist falsch. Natürlich dürfen wir mit ihm fühlen, natürlich dürfen wir ihn mal in die Schranken weisen, natürlich dürfen wir einmal von ihm Abstand nehmen. Wichtig ist, dass wir uns nicht aufs hohe Ross setzen, dass wir ihn nicht von oben herab behandeln, dass wir ihm keine Vorwürfe machen, dass wir ihm nicht sagen: »Jetzt reiss dich zusammen!« Wenn wir ihm Vorwürfe machen, so ist das etwa wie wenn wir einen Hinkenden für seine Gangart tadelten.
Geduld üben
Das »Wie?« heißt: Geduld, Geduld und nochmals Geduld mit seinem oft schwer nachvollziehbaren Wesen. Wir müssen versuchen, sein Verhalten zu akzeptieren oder seine Gedankengänge zu verstehen. Das klingt so einfach, ist aber so schwierig anzuwenden und durchzuhalten. Wir müssen dieselbe Hilfe immer wieder anbieten. »Immer wieder anklopfen«, wie man es bildlich ausdrücken kann.
Ihm Mut machen
Ihm Mut zu machen ist äußerst mühsam, wir sollten es aber immer wieder versuchen: Negatives vermeiden, Positives herausstreichen. Wenn dem anderen etwas gelungen ist, und sei es nur ein Spaziergang, loben wir ihn so, dass er es nicht selbstquälerisch als unbedeutend abtun kann. Dem empathischen Betreuer werden noch viele weitere Möglichkeiten einfallen, dem Kranken Mut zu machen.
Mitgefühl zeigen
Wir können ja nicht einfach sagen: »Es wird schon wieder!« Nicht etwa Mitleid ist gefragt. Wir müssen ihn spüren lassen, dass wir Anteil nehmen, uns interessieren für sein Fühlen und Denken. Dabei gilt es zu vermeiden, seinen Pessimismus
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