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Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige

Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige

Titel: Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John P. Kummer Fritz Kamer
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welchen Alters – zu verstecken. So zu tun, als wäre alles normal, ist aussichtslos: Kinder haben ein feines Gespür für Unregelmäßigkeiten wie diese. Je nach ihrer Sensibilität reagieren sie schwächer oder stärker, aber wir sollten ihnen die Verarbeitung der Situation nicht leichtfertig überlassen. Dabei müssen wir daran denken, dass jedes Kind seine eigenen Fühl- und Denkweisen und eine individuelle Beziehung zum erkrankten Familienmitglied hat.
    Es hängt von uns ab, ob unsere Kinder in dieser auch für sie schwierigen Lage Schaden nehmen oder das Beste aus der Situation machen können. Künstliche, unechte Fröhlichkeit oder Zuversicht, wenn es uns weh ums Herz ist, ist ebenso falsch wie Schwarzseherei. Mit Erklärungen zur Krankheit dürfen wir unser Kind nicht überfordern und es schon gar nicht als Stütze in der Misere missbrauchen.
    Vielleicht müssen wir im kindlichen Umfeld, bei Spiel- und Schulkameraden sowie Lehrpersonen nach dem Rechten sehen, falls die Gerüchteküche brodelt. Auch Kinder haben die Tendenz, das familiäre Unglück zu verheimlichen, aber ein solches Doppelleben belastet die kindliche Psyche noch mehr als die erwachsene. Falls wir das Gefühl haben, dass das Kind in seiner Entwicklung behindert sein könnte, sollten wir professionelle Hilfe suchen.
    Schließen wir das Kapitel »Kinder« positiv ab: Bei richtiger seelischer Betreuung (ich weiß, die Aufgabe ist nicht leicht) können Kinder eine überdurchschnittliche Sensibilität gegenüber anderen Menschen entwickeln und sind gleichzeitig besser gerüstet und mit weniger Vorurteilen belastet, wenn sie mit ähnlichen Fällen in Berührung kommen.
    Die Zeit »danach«
    Viele Depressionsbetroffene berichten uns, wie für sie nach dem Auftauchen die Welt in Himmelblau und Rosé getaucht erschien. Wenn unser Freund an einer bipolaren Störung leidet, besteht die Gefahr einer Übersteigerung in die Manie, in der er sehr viel leisten kann und ihm alles möglich scheint und er sich selbst und seine Umwelt in Gefahr bringt.
    Ist er aber tatsächlich geheilt, ist es möglich, ja wahrscheinlich und zu hoffen, dass er sein Leben anders sieht. Dass die Stressfaktoren, die zur Depression führten, eliminiert werden müssen, liegt auf der Hand. Man soll nicht zweimal denselben Fehler machen. Einen tieferen Sinn erhält aber die weiß Gott schmerzhafte und nicht wieder herbeigewünschte Erkrankung, wenn sie zu einer veränderten Sicht des Lebens führt.
    Das kann zu radikalen Umwertungen und Prioritätenwechseln führen, die uns Angehörige und Betreuer vor schwere Aufgaben stellen können – beispielsweise vor die Erkenntnis, dass die bisherige Partnerbeziehung auf einer Lebenslüge beruht und deshalb im allseitigen Interesse beendet werden sollte. (Wenn das »Interesse« allzu einseitig gelagert ist oder wenn z.B. Minderjährige in der Familie sind, liegt der Fall natürlich anders). Generell kann gesagt werden, dass der Genesene seine Selbstachtung wieder gewonnen hat, und »nicht länger Knecht, sondern Herr seiner selbst« sein will, … »welches Glücksgefühl!« (Reiners 2007, S. 123 f.). Allerdings: Dieses Glücksgefühl ist nicht bis ans Lebensende garantiert, es muss stets neu erworben werden, oft unter großen Mühen.
    Holger Reiners (2007, S. 102) umschreibt das neue Gefühl so: «Ja, das Leben ist wirklich ein kostbares Geschenk und wir tun gut daran, jeden Tag wenigstens einmal innezuhalten, um uns dessen immer wieder aufs Neue bewusst zu werden.« Und danach zu handeln, möchte ich anfügen, und das gilt nicht nur für denjenigen, der der Depression entkommen ist, sondern für uns alle. So können wir alle einen tieferen Sinn in der schrecklichen Krankheit finden.
    Und unsere Rolle als Angehörige? Dies sei dem nächsten Kapitel vorweggenommen: Wenn sich beim Depressionskranken langsam wieder die Lebensgeister regen, können wir ihm beim Pläneschmieden Gesprächspartner, wertvolle Stütze und Coach sein, der ihn voranbringt – aber bitte ohne Ratschläge im Sinn von »Du solltest …«. Unsere Betreuerrolle ist nicht zu Ende, wenn unser Freund geheilt ist; wir können ihm weiterhin beistehen, wenn es nun um Taten statt Pläne geht. Und wir können uns mit ihm freuen, dass er die Schwarze Dame verabschiedet hat und freudvoll in die Zukunft schaut. Unsere oft schweren gemeinsamen Bemühungen haben sich gelohnt. An uns lag es, die Hoffnung nicht zu verlieren und ihr Feuer im Kranken am Leben zu erhalten.

Unser Mit-Leben –

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