Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige
verlangen und in denen mit der Mitwirkung des Patienten nurmehr beschränkt gerechnet werden kann. Da hilft die Checkliste Krisensituationen . Selbstverständlich sind auch andere Aufzeichnungen, ganz gleich welcher Art, von großem Nutzen.
Ist der Zustand des Erkrankten so, dass ihm eigenes Handeln sehr schwerfällt oder nicht mehr möglich ist, tritt der nach Ende der letzten Erkrankung geschlossene Vertrag für den Notfall in Kraft. Einen solchen Vertrag auszuhandeln ist eine ernste Sache. Er zeigt dem Genesenen, dass wir weiter für ihn da sind. Und er erleichtert unsere Arbeit in einem nächsten Fall immens. Wir wissen, was wir tun dürfen und sollen, und der Kranke wird von Entscheidungen entlastet. Gibt es keinen solchen Vertrag, sind – soweit möglich in Absprache mit ihm – alle nötigen praktischen Sofortmaßnahmen zu treffen (beispielsweise Krankmeldung in der Firma, Absage privater Termine etc.). Dabei können wir uns auf die Checkliste Vertrag für den Notfall stützen.
Die extremste Notsituation tritt ein, wenn wir uns einer Suizidgefährdung unseres Kranken gewahr werden oder auch nur den Verdacht hegen. Ich widme ihr deshalb ein eigenes Kapitel mit der Überschrift »Alarm vor dem Tor« (S. 137 ff.).
»Nachbearbeitung« und das Problem Manie
Ist unser Freund wieder gesund, so ist unser Betreuer-Mandat beileibe nicht zu Ende. Eine wichtige und oft nicht einfache Aufgabe ist, darüber zu wachen, dass der vor Lebensfreude Sprühende seine Medikamente brav weiternimmt, solange es der Arzt für nötig hält. Es ist eine Tatsache, dass viele Depressionsfälle sofort oder später wieder auftreten, weil die Medikamente zu früh abgesetzt oder in der Dosis reduziert wurden. In zahlreichen Fällen ermöglicht die lebenslange Einnahme von Medikamenten dem Depressionsgefährdeten ein »normales« Dasein.
Ist es nicht bereits geschehen, sind jetzt die erwähnten Checklisten für Notsituationen zu erstellen. Insbesondere ist zur Vermeidung künftiger Abstürze die Checkliste Vorbeugung und Erleichterung zu beachten bzw. in die Tat umzusetzen.
Die Psychiatrie unterscheidet zwischen der (unipolaren) eigentlichen Depression und der bipolaren Störung, bei der das seelische Pendel abwechselnd nach Niedergeschlagenheit und Hochgefühl ausschlägt. Bei der Hypomanie bleibt das Pendel des Hochgefühls meist unterhalb der Gefahrenzone. Dieses Buch konzentriert sich vor allem auf die unipolare Störung. Nun ist der Moment, kurz auf die bipolare Störung einzugehen.
Denn auch auf diesem Gebiet geht unsere Aufgabe als Betreuer weiter. Wir sollten die allgemeine Gemütslage des Wiederauferstandenen daraufhin beobachten, ob sich nicht etwa eine (seltenere) bipolare Störung entwickelt.
Normalerweise verfällt der Depressionsbetroffene beim Wiederauftauchen in eine gewisse Euphorie, muss doch seine Seele viel Versäumtes nachholen. Dies sei ihm herzlich gegönnt, solange es bei einer Hypomanie bleibt. Allerdings kann sich eine eigentliche Manie entwickeln, die dem Betroffenen und seiner Umgebung gefährlich werden kann, indem er jegliches Augenmaß für seine körperliche oder finanzielle Leistungsfähigkeit verliert. Es gibt viele Beispiele, wo »Manisch-Depressive«, wie man sie früher nannte, in der Hyperaktivität der Manie Geld buchstäblich zum Fenster hinaus warfen, Dinge kauften, die sie sich nicht leisten konnten usw., um dann über kurz oder lang zusammenzubrechen und in der nächsten Depression zu versinken.
Eine Hypomanie kann jahrelang anhalten, viel länger als die durchschnittliche Depression. Bei Co-Autor John P. Kummer dauerte sie einmal sieben Jahre, wie er im Kapitel »Die Depression von innen gesehen« (S. 29 ff.) berichtet.
Wenn wir also die dort beschriebenen Anzeichen einer Manie feststellen, müssen dringend Fachleute aufgesucht werden.
Umgebungsgestaltung
Unsere Maßnahmen im Rahmen des »Was tun?« können sich auch auf rein materielle Gebiete erstrecken. Wenn der Depressionskranke im Schoß einer Familie oder auch »nur« einer Partnerschaft lebt, können gewisse Umstellungen im Haushalt von Nutzen sein. Auch wenn der Patient als Schwerkranker herumschleicht, sollte das Heim nicht zum Spital werden. Die Familie sollte ihr normales Leben möglichst weiterführen können. Diese Normalität tut auch dem Kranken gut. Trotzdem können ihm bestimmte Maßnahmen sein düsteres Leben erleichtern wie beispielsweise die Vermeidung starken Lärms und die Schaffung von Rückzugsmöglichkeiten. All
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