Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige
und vernachlässigte ihren Freundeskreis. Ihre Zimmergenossin und beste Freundin hielt es schließlich nicht mehr aus und verließ sie. Sie nahm den gemeinsamen Freund aus der Jugendzeit als Geliebten und späteren Gatten mit. Die Isolation Reginas war – von den Eltern abgesehen – total.
Ein Lehrbuchfall für eine Depression. Ein Lehrbuchfall auch für die Wünschbarkeit der Früherkennung. Die behandelnden Ärzte schlossen (wie so oft!) lange nicht auf eine Depression. Nur einer äußerte einen Verdacht auf somatische Ursachen. Regina selbst wollte sie nicht wahrhaben »Wenn es mir nicht gutgeht, geht es mir nicht gut«, meinte sie. Zu einem auf Rat der Mutter aufgesuchten Psychiater fand sie keinen Zugang, sie glaubte ihm nicht. Ihr Studiengang setzte sie unter Zeitdruck, sodass sie lieber immer wieder einige Tage krank war, statt das Problem von Grund auf anzugehen. Immerhin hatte sie Zeit für politische Aktivitäten – die sie seelisch ziemlich stark belasteten. Auch ihr Exfreund wirkte dort mit …
So ging das ein paar Jahre lang. Nun hat sie die Schlussexamen bestanden – und drei Monate vorher noch ein ungeplantes Baby zur Welt gebracht. Die Ängste während der Schwangerschaft überstiegen offenbar nicht das Normalmaß, eine postnatale Depression zeigte sich nicht. Der Vater des Kindes war bereits seit einiger Zeit ihr Lebenspartner, das Verhältnis war, aufgrund ihrer dominanten Art, eher stürmisch. Er ist ein liebevoller Vater. Ob das Baby die Beziehung kittet? Ob sich die depressiven Verstimmungen verziehen? Es scheint, dass das Baby zumindest das dominante Wesen der Mutter mildert.
Und die Angehörigen? Reginas Eltern wurden geschieden, als sie zwölf war, verkehren aber noch heute miteinander. Die Tochter steckte das offenbar gut weg und blieb weiterhin das pflegeleichte Kind. Als dann die Schwierigkeiten und Launen der Studentin begannen, nahm der leibliche Vater die Verstimmungen auf die leichte Schulter und seine Tochter nicht ernst. Er riet ihr zwar, sich zusammenzunehmen ( sic! ), aber die Telefongespräche waren meist sehr gelöst und munter. Er meinte, je weniger man darüber spreche, desto rascher ginge es vorbei … Seiner Exfrau war er keine Stütze.
So lasteten die ganzen großen Ängste und Sorgen auf den Schultern bzw. im Herzen der Mutter. Ihre Hilflosigkeit bedrückte sie sehr, auch angesichts des Umstandes, dass ihre Tochter hunderte von Kilometern in einer anderen Stadt studierte und immer wieder krank war. Des Öfteren verließ sie ihre Arbeit, um zu ihr zu reisen und ihr beizustehen. Zwar hatte die Mutter inzwischen einen neuen, verständnisvollen Partner, der aber in ihren Augen wegen eigener Probleme nicht sehr belastbar war. Einen stärkeren Halt fand sie anderswo, erstaunlicherweise bei ihrer nebenamtlichen Tätigkeit in der Sterbebegleitung. Die erschütternden, aber in vielen Fällen auch sehr beglückenden Erlebnisse, wie sich Menschen angesichts des nahen Todes verhielten, lenkten sie ab, glichen die Waage zu ihren eigenen Sorgen aus und gaben ihr die Kraft, die eigenen Nöte und Ängste auszuhalten.
Ende gut, alles gut?
Ein junges Ehepaar voller beruflicher Pläne bekommt sein erstes Kind. Die Geburt ist sehr schwer. Auch nach der Geburt stellt der junge Erdenbürger Ansprüche rund um die Uhr, die Anstrengung geht weiter. Vater Rainer ist wochenlang im Ausland tätig, beschäftigt mit dem Aufbau einer unabhängigen Existenz als Berater. Wieder zu Hause, wird er in die Kinderpflege eingespannt. Die junge Mutter Sophie, vorher auch berufstätig, möchte so bald als möglich nicht mehr »nur« Mutter sein. Zwischen den Ehegatten entstehen Diskussionen, wer wie viel Zeit für sich beanspruchen darf. Die Mutter leidet darunter, dass sie trotz Wunschkind keine rundum glückliche Mutter ist, wie sie es eigentlich von sich selber erwartet hat. Der Hinweis einer Hebamme, es könnte eine seelische Krise nach der Geburt vorliegen, die man behandeln sollte, bleibt unbeachtet.
Wenige Jahre später kommt das zweite Kind auf die Welt. Die Geburt verläuft gut. Aber beim Stillen hat die Mutter das Gefühl, es werde ihr der Boden unter den Füßen weggezogen. Trauer erfüllt sie. Im Spital wird sofort »Abstillen« verordnet. Sophies Stimmung verbessert sich etwas.
Im gemeinsamen, offenen Gespräch diagnostizieren Sophie und Rainer eine Depression. Rainer erfährt auch, dass Sophie schon in früheren Jahren flüchtige Suizidgedanken hatte. Sophie ist eine sehr kommunikative
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