Der 1. Mord - Roman
ich auch gedacht«, meinte Claire. »Direkt ins Herz.«
»Dann könnte der Mörder ein Profi sein?«, fragte Raleigh.
Claire zuckte mit den Schultern. »Aufgrund des Musters der Wunden oder der Technik - vielleicht. Aber ich glaube es nicht.«
In ihrer Stimme war ein Zögern. Ich schaute sie an. »Ich muss wissen, ob sie sexuell missbraucht wurde.«
Claire schluckte. »Es gibt eindeutige Anzeichen, dass post mortem eine Penetration stattgefunden hat. Die Schleimhaut der Vagina ist stark gedehnt, außerdem habe ich mehrere Einrisse am Introitus gefunden.«
Vor Empörung verkrampfte sich mein ganzer Körper. » Sie wurde vergewaltigt .«
» Falls sie vergewaltigt wurde, war es sehr schlimm«, erklärte Claire. »Die Vagina war so weit, wie ich es noch nie gesehen habe. Ehrlich gesagt, sprechen wir nicht über eine Penispenetration.«
»Stumpfer Gegenstand?«, fragte Raleigh.
»Möglich… aber an den Scheidenwänden sind Verletzungen, die auf eine Art Ring hinweisen.« Claire holte Luft. »Meiner Meinung nach hat es sich um eine Faust gehandelt.«
Die schockierende und empörende Art von Melanie Brandts Tod ließ mich erneut erschauern. Eine Faust. Das klang so grauenvoll endgültig. Ihr Mörder hatte nicht nur seinen Albtraum in die Tat umsetzen wollen, sondern sie zusätzlich schänden wollen. Warum?
»Wenn ihr noch einen Hammer vertragen könnt, kommt mit«, sagte Claire.
Sie führte uns durch eine Schwingtür in das Labor dahinter. Auf einer sterilen Papierschürze lag das mit Blut beschmierte Smokingjackett, das wir neben dem Bräutigam gefunden hatten.
Claire hob es am Kragen hoch. »Clapper hat es mir geliehen. Selbstverständlich ging es darum, zu bestätigen, wessen Blut drauf war.«
Das linke Revers war bei dem tödlichen Stoß durchstochen worden. Um den Einstich herum waren dunkle Blutflecke zu sehen. »Und jetzt wird’s richtig interessant«, teilte Claire uns mit. »Ich habe nämlich nicht nur David Brandts Blut auf dem Jackett gefunden.«
Raleigh und ich machten vor Überraschung große Augen.
»Das des Mörders?«, fragte er.
Claire schüttelte den Kopf. »Nein, das der Braut.«
Ich vergegenwärtigte mir nochmals schnell den Tatort. Der Bräutigam war bei der Tür getötet worden, seine Frau zehn Meter weiter weg im Schlafzimmer.
»Wie kommt das Blut der Braut auf das Jackett?«, fragte ich verwirrt.
»Darüber habe ich mir auch den Kopf zerbrochen. Also habe ich das Jackett auf den Leichnam des Bräutigams gelegt. Der Schnitt im Stoff passt nicht genau zu seiner Wunde. Die war hier, an der vierten Rippe. Der Schnitt im Jackett ist sieben Zentimeter höher. Bei genauerer Überprüfung hat sich herausgestellt, dass das verdammte Jackett nicht mal vom gleichen Hersteller ist wie die Hose. Es ist von Joseph Abboud.«
Claire zwinkerte mir zu, als sie sah, wie die kleinen Rädchen in meinem Gehirn sich drehten.
»Das Jackett hat also nicht dem Bräutigam gehört, sondern dem Mann, der ihn umgebracht hat.«
»Und ich kenne keinen Profi, der so etwas zurücklassen würde«, fügte Claire hinzu.
»Vielleicht hat er die Hochzeit als Deckmantel benutzt«, sagte Raleigh.
Mir war eine noch schlimmere Möglichkeit eingefallen.
»Er könnte auch ein Gast gewesen sein.«
15
In den Büros des San Francisco Chronicle waren Cindy Thomas’ hektische Gedanken ihren Fingern nur wenig voraus.
Der Abgabetermin für den Nachmittag war in knapp einer Stunde.
Von dem Pagen des Hyatt Hotels hatte sie die Namen zweier Gäste erfahren, die an der Brandt-Hochzeit teilgenommen hatten und noch im Hotel waren. Gestern Abend war sie noch mal hingegangen und hatte danach einen herzerweichenden tragischen Bericht über die letzten Stunden im Leben des Brautpaars schreiben können, inklusive Eheversprechen, Reden und einem romantischen letzten Tanz.
Alle anderen Reporter mühten sich immer noch ab, die spärlichen Details zusammenzustückeln, die die Polizei herausgegeben hatte. Bis jetzt hatte sie einen guten Vorsprung. Sie lag vorn, und das war ein tolles Gefühl. Sie war auch ganz sicher, dass dies ihr bester Artikel war, seit sie zum Chronicle gekommen war, vielleicht sogar seit dem Studium in Michigan.
Bei der Zeitung war Cindy durch ihr Bravourstück im Hyatt schlagartig berühmt geworden. Leute, die sie kaum kannte, blieben plötzlich stehen und gratulierten ihr. Sogar der Herausgeber, den sie sonst nur selten in der Lokalredaktion sah, kam vorbei, um sie kennen zu lernen.
Die Lokalredaktion
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