Der 1. Mord - Roman
berichtete gerade über eine Demonstration in Mill Valley, wo eine Straßenverlegung den Verkehr beruhigen sollte, der sich bei einer Schule staute.
Cindy schrieb für die Titelseite.
Ihr Lokalredakteur Sidney Glass kam zu ihrem Schreibtisch. Bei der Zeitung nannte man Glass El Sid. Seufzend ließ er sich auf den Stuhl ihr gegenüber sinken. »Wir müssen uns mal unterhalten.«
Langsam hörten ihre Finger auf zu tippen. Sie sah ihn an.
»Ich habe zwei stinksaure langjährige Gerichtsreporter,
denen es in den Fingern juckt, diesen Fall zu kriegen. Suzy ist im Rathaus und wartet auf Erklärungen vom Polizeipräsidenten und vom Bürgermeister. Stone stellt Profile der beiden Familien zusammen. Sie haben zwanzig Jahre und zwei Pulitzerpreise auf dem Buckel. Außerdem ist es ihr Ressort.«
Cindy spürte, wie ihr Herz fast aufhörte zu schlagen. »Was haben Sie ihnen gesagt?«
In El Sids Augen sah sie die gierigen langjährigen Gerichtsreporter mit eigenen Nachforschungshilfskräften, die ihr knallhart die Story wegnehmen wollten. Ihre Story.
»Zeigen Sie mal her, was Sie bisher haben«, sagte der Lokalredakteur. Er stand auf, kam zu ihr und schaute ihr über die Schulter. Er las mehrere Zeilen auf dem Monitor. »Scheint im Großen und Ganzen in Ordnung zu sein. Das wissen Sie wohl. ›Schmerzerfüllt‹ gehört aber dorthin.« Er deutete mit dem Finger. »Zum Vater der Braut. Ida Morris hasst nichts mehr als falsch platzierte Adjektive und Inversionen.«
Cindy spürte, wie sie rot wurde. »Ich weiß, ich weiß. Ich muss fertig werden. Abgabetermin ist …«
»Ich weiß, wann Abgabe ist«, fauchte sie der Lokalredakteur an. »Aber trotzdem sollten Sie das dort einfügen.«
Er schaute Cindy eine kleine Ewigkeit lang an. Unter seinem abschätzenden Blick wurde sie nervös.
»Besonders wenn Sie vorhaben, diesen Fall zu behalten.« Glass’ undurchdringliche Miene änderte sich, beinahe hätte er gelächelt. »Ich habe ihnen gesagt, dass es Ihr Fall ist, Thomas.«
Cindy unterdrückte den Wunsch, dem launischen, rechthaberischen Kerl um den Hals zu fallen. »Sie wollen, dass ich ins Rathaus fahre?«
»Die echte Story hat sich in dieser Suite abgespielt. Fahren Sie noch mal ins Hyatt.«
El Sid ging, wie immer die Hände in den Hosentaschen vergraben.
Doch dann drehte er sich um. »Wenn Sie diese Story behalten
wollen, sollten Sie sich eine Informationsquelle in der Polizei suchen - und zwar schnellstens.«
16
Nachdem wir die Gerichtsmedizin verlassen hatten, gingen Raleigh und ich fast stumm zurück ins Büro. Mich störten bei diesen Morden viele Details. Weshalb sollte der Mörder das Jackett des Opfers mitnehmen? Warum die Flasche Champagner dalassen? Das ergab keinen Sinn.
»Jetzt haben wir ein Sexualverbrechen, ein schlimmes«, sagte ich auf dem asphaltierten Gehweg zur Halle. »Ich möchte die Obduktionsergebnisse bei Milt Fanning überprüfen und durch die FBI-Computer laufen lassen. Wir müssen auch mit den Eltern der Braut sprechen. Wir brauchen alles über die Männer, mit denen sie vielleicht vor David eine Beziehung hatte, und außerdem eine Gästeliste von der Hochzeit.«
»Warum warten wir nicht noch auf eine Bestätigung, ehe wir dieser Vermutung nachgehen«, sagte mein neuer Partner.
Ich blieb stehen und schaute ihn an. »Wollen Sie etwa abwarten, bis jemand sich beim Fundbüro nach einem Jackett mit Blutflecken erkundigt? Ich verstehe Ihre Bedenken nicht.«
»Ich habe Bedenken, wenn die Polizei mit einem Haufen hypothetischer Mutmaßungen die Trauer der Hinterbliebenen stört, solange wir nicht mehr haben«, erklärte er. »Möglich, dass wir das Jackett des Mörders haben, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht war er ein Gast, vielleicht aber auch nicht.«
»Wem hat es wohl gehört - dem Rabbi?«
Er lächelte. »Es könnte dort zurückgelassen worden sein, um uns auf eine falsche Fährte zu locken.«
Seine Stimme klang anders. »Machen Sie einen Rückzieher?«
»Nein, keinen Rückzieher«, erklärte er. »Aber solange wir keine konkreten Hinweise haben, könnte jeder ehemalige Freund der Braut oder jeder, dem Gerald Brandt je geschäftlich geschadet hat, ein möglicher Verdächtiger sein. Mir ist es lieber, wenn diese Menschen nicht ins Scheinwerferlicht geraten, ehe wir etwas Handfestes haben.«
Jetzt war mir alles klar. Das alte Spiel. Brandt und Chancellor Weil waren VIPs. Finden Sie den bösen Buben, Lindsay, aber bringen Sie dabei die Polizei nicht in Schwierigkeiten.
»Ich
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