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Der 1. Mord - Roman

Titel: Der 1. Mord - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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wie ein Schlag. Ich verdrängte den Druck dieser Gedanken. Allerdings nicht besonders erfolgreich.
    Chris ergriff meine Hand. »Tut mir Leid, Lindsay. Ich hatte kein Recht …«
    »Das ist es nicht«, flüsterte ich und drückte seine Hand. Ich wusste, dass es an der Zeit war, mich Chris vollkommen zu offenbaren. Aber ich hatte Angst; meine Lippen zitterten. Nur mit Mühe hielt ich die Tränen zurück.
    »Ich muss dir etwas sagen«, flüsterte ich. »Was ziemlich Heftiges, Chris.«
    Ich sah ihn so aufrichtig und vertrauensvoll an, wie es mir mit meinen verängstigten Augen möglich war. »Weißt du noch, wie ich in dem Besucherraum bei Jenks beinahe in Ohnmacht gefallen bin?«
    Chris nickte. Jetzt wirkte auch er ein wenig besorgt. Auf seiner Stirn waren tiefe Falten.
    »Alle dachten, ich hätte nur die Nerven verloren, aber das war es nicht. Ich bin krank, Chris. Vielleicht muss ich bald ins Krankenhaus.«
    Ich sah, wie das Licht in seinen Augen plötzlich schwächer wurde. Er wollte etwas sagen, doch ich legte ihm den Zeigefinger auf die Lippen.
    »Hör mir eine Minute lang zu, okay?«
    »Okay. Tut mir Leid.«
    Ich sprudelte alles über die Anämie heraus. Die Behandlung
schlug nicht an. Es bestand immer weniger Hoffnung. Medveds Warnung vor einigen Tagen. Ich war im dritten Stadium, es war sehr ernst. Als Nächstes stand vielleicht eine Knochenmarkstransplantation an.
    Ich weinte nicht. Ich teilte ihm alles mit, wie ein Polizist. Ich wollte ihm Hoffnung geben, zeigen, dass ich kämpfte, zeigen, dass ich der starke Mensch war, den er liebte. Als ich fertig war, umklammerte ich seine Hände und holte abgrundtief Luft. »Die Wahrheit ist, Chris, dass ich vielleicht bald sterbe.«
    Unsere Hände waren eng ineinander verschlungen. Unsere Augen tauchten in die des anderen. Enger hätten wir nicht verbunden sein können.
    Dann strich er mir liebevoll über die Wange. Er sagte kein Wort, zog mich nur an sich. Die Kraft und die Weichheit seiner Hände ließen mich dahinschmelzen.
    Und dann brach ich in Tränen aus. Er war ein guter Mensch. Vielleicht verlor ich ihn bald. Und ich weinte um all die Dinge, die wir wohl niemals tun würden.
    Ich weinte und weinte, und bei jedem Schluchzen drückte er mich fester an sich. Dabei flüsterte er ständig: »Ist ja gut, Lindsay. Ist ja gut. Ist ja gut.«
    »Ich hätte es dir sagen müssen«, stieß ich hervor.
    »Ich verstehe, weshalb du es nicht getan hast. Seit wann weißt du es?«
    »Seit dem Tag, an dem wir uns kennen gelernt haben. Ich schäme mich so.«
    »Du brauchst dich doch nicht zu schämen«, beschwichtigte er mich. »Woher solltest du denn wissen, ob du mir trauen kannst?«
    »Ich habe dir ziemlich schnell vertraut. Ich habe mir selbst nicht vertraut.«
    »Aber jetzt tust du es«, flüsterte Chris.

102
    Ich glaube, wir hielten uns die ganze Nacht lang eng umschlungen. Wir lachten ein wenig, weinten ein wenig. Ich kann mich nicht mal mehr daran erinnern, wie und wann ich in seinen Armen aufwachte.
    Am folgenden Tag löste ich mich kaum aus seiner Umarmung. Angesichts all dessen, was mich bedrohte, was so ungewiss war, fühlte ich mich in seiner Nähe sicher. Ich wollte nie mehr fort.
    Doch an diesem Wochenende geschah noch etwas, abgesehen von der Anämie, abgesehen von Chris und mir. In mein Gefühl der Sicherheit drängte sich ein quälender Gedanke.
    Diesen Gedanken hatte etwas gesät, das Jacobi gesagt hatte.
    Es war eine dieser hingeworfenen Bemerkungen, die man nicht gleich beachtet, die das Gehirn jedoch irgendwo speichert. Und zum unpassendsten Moment taucht sie wieder auf, stärker und logischer als zuvor.
    Es war Sonntagabend. Das Wochenende war vorbei. Chris hatte mich heimgefahren. Obwohl es mir schwer fiel, ihn zu verlassen, musste ich doch eine Zeit lang allein sein, um Inventur des Wochenendes zu machen und meine nächsten Schritte zu überlegen.
    Ich packte aus, kochte Tee und kuschelte mich mit Sweet Martha auf die Couch. Meine Gedanken wanderten zu den Morden.
    Nicholas Jenks lag jetzt hinter mir. Jetzt blieben nur noch diese zahllosen Berichte. Die mussten geschrieben werden. Obgleich er immer noch lautstark beteuerte, dass man ihm die Verbrechen in die Schuhe schieben wollte. Doch das waren nur weitere Verrücktheiten, weitere Lügen.
    Doch da schlichen sich Jacobis Worte in mein Gehirn.
    »Den Fall geknackt«, hatte er am Dienstagmorgen gesagt. Dabei hatte er diesen eindringlichen, nervtötenden Ausdruck in
den Augen gehabt. »Vergessen Sie aber

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