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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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Arschloch wie mich zu belügen ist einfacher, hm?«, stellte er dann fest.
    Konnte er Gedanken lesen? Oder log er selbst mehr, als ich ahnte?
    »Richtig!«, stimmte ich spitz zu. »Dich belüge ich lieber. Zumindest wenn wir über Lügen reden, für die man umgebracht wird, sobald sie auffliegen.«
    Ich sah ihm seine Neugier an, aber er fragte nicht.
    »Ich hoffe, Lena ermordet dich nicht, bevor sie dir was über Eva erzählt hat«, bemerkte er nur.
    Ich streckte ihm die Zunge raus.
    »Weil das aber anscheinend noch dauert, sollten wir mal gemeinsam Evas Eltern besuchen. Mich würde interessieren, wie sie sich die Antidepressiva erklären. Oder gehst du lieber kellnern?«
    Danner erhob sich und hielt mir auffordernd eine Hand hin.
    Ich griff zu und er zog mich auf die Füße. Es war nur eine kurze Berührung, doch sie schoss durch meinen Arm wie ein Stromschlag.
    Verwundert rieb ich mir das Handgelenk.

18.
    »Friedrich Ahrend ist Lehrer am Ottilie-Baader-Gymnasium. Geschichte, Französisch und Sport«, informierte mich Danner, während er seine Schrottschüssel vor einem schicken Einfamilienhaus einparkte. »Er ist seit achtzehn Jahren verheiratet. Eva war das älteste von vier Kindern. Die beiden Brüder sind dreizehn und elf, die Schwester ist sieben. An dem Nachmittag, als Eva gestorben ist, hatte Ahrend Sport. Eva sollte auf ihn warten, um mit ihm gemeinsam nach Hause zu fahren. Um fünf, nach dem Unterricht, hat er geduscht und ist dann von der Sporthalle zum Schulhof hinübergegangen. Das hat höchstens eine Viertelstunde gedauert, aber da war sie schon gesprungen. Er hat sie selbst gefunden.«
    Scheiße.
    »Susanne Lehnert hatte zur gleichen Zeit Sportunterricht«, fuhr Danner fort. »Man kann die Halle mit einem Vorhang teilen. Sie hat das Gebäude mit ihm zusammen verlassen. Sie war dabei, als er Eva auf dem Schulhof gefunden hat. Sein Alibi ist also ziemlich dicht. Im Übrigen finde ich auch kein Motiv, ich wüsste nicht, warum er seine Tochter hätte umbringen sollen.«
    »Du hast sein Alibi überprüft?«
    Danner stellte den Motor aus.
    »Detektivregel Nummer eins: Alle Alibis werden überprüft und die der Familie immer zuerst!«
    Er stieg aus und ich folgte ihm.
    Ich musste die Autotür drei Mal zuknallen, bevor sie geschlossen blieb.
    »Kennt er dich? Hast du schon mal mit ihm gesprochen?«
    Danner nickte. »Lenny kennt ihn schon ewig, weil Eva und Lena so dicke Freundinnen waren.«
    Wir durchquerten einen großen Vorgarten, in dem an einem Teich die marmorne Statue eines nackten Griechen stand.
    Uff. Na ja, Geschichtslehrer eben.
    »Seine Frau hatte nach Evas Tod einen Nervenzusammenbruch«, erklärte mir Danner weiter. »Bisher war sie nicht vernehmungsfähig. Aber auch sie hat ein Alibi: Sie hat mit Evas beiden kleineren Geschwistern Hausaufgaben gemacht. Der ältere Sohn war beim Golfen – unter Zeugen.«
    Offensichtlich hatte Danner alle Fakten im Kopf.
    Er drückte die Klingel und ein viertöniger Gong kündigte unseren Besuch an.
    Der Mann, der uns öffnete, füllte die Tür aus. Sein grauer Bürstenhaarschnitt berührte den oberen Balken des Rahmens, seine Schultern erreichten beinahe die Seiten.
    »Herr Danner!?« Mit fragender Miene gab er Danner die Hand.
    »Guten Tag, Herr Ahrend. Das ist meine Mitarbeiterin, Lila Ziegler«, stellte Danner mich vor und Ahrend begrüßte auch mich. Sein Handgriff war prüfend, seine grünlichen Augen wachsam.
    »Haben Sie einen Moment Zeit für uns?«
    »Natürlich.«
    Der Lehrer gab den Durchgang frei.
    Ich musterte erstaunt seinen Rücken.
    Von vorn wirkte Ahrend wie ein normaler Mittfünfziger: Graue Haare, viele Falten um Augen und Mundwinkel herum, Ansatz zum Bauch. Von hinten hatte er das Kreuz eines Leistungsschwimmers: Die breiten Schultern liefen V-förmig zu einem schmalen Becken zusammen, sein Gang war federnd, seine Haltung auffällig aufrecht.
    Er war Sportlehrer, erinnerte ich mich, und bestimmt keiner von der Sorte, die nur mit einer Trillerpfeife in der Mitte der Halle stand. Der konnte auch selbst was.
    Ahrend führte uns in ein geräumiges Wohnzimmer.
    Eine Sekunde lang erinnerte es mich an das Wohnzimmer meiner Eltern. Das lag an dem schwarzen Ledersofa, das aussah, als hätte noch nie jemand darauf gesessen, und an dem blank polierten Flügel vor der gläsernen Terrassentür.
    Vor einer Durchreiche zur Küche stand ein Esstisch. Daran saß ein dünner Mann mit einer sehr schlechten Haltung, einem blonden Haarkranz um eine spiegelnde

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