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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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Der Flügel am Fenster schien eine polierte Erinnerung an alles, was nie wieder zu hören sein würde.
    Schließlich stand Ahrend auf und ging zu einem antik wirkenden Sekretär, der unter dem Fenster stand. Er holte ein Foto hervor und reichte es Danner. »Das hier habe ich in Evas Schreibtisch gefunden. Ich habe keine Ahnung, wo es herkommt und ob Sie was damit anfangen können.«
    Ich sah Danner über die Schulter.
    Das Foto zeigte Eva Ahrends Schneewittchengesicht, unverwechselbar. Sie war von schräg hinten aufgenommen worden und warf der Kamera über die Schulter einen frechen Blick zu. Ihre dunkle Mähne fiel wild toupiert über ihren Rücken, der bis auf die dünnen Schnüre ihres schwarzen Bikinis nackt war.
    Das Bild war nicht ohne.
    »Hat Eva einen Freund gehabt?«, fragte ich sofort.
    »Nein.«
    Ahrend füllte die beiden Gläser mit Whisky auf.
    »Noch nie? Sie hat nie einen Namen erwähnt? Ist nie ins Kino abgeholt worden?«
    »Sie hatte keine Zeit fürs Kino. Die Schule, das Schwimmtraining und die Wettkämpfe gingen vor – sie war deutsche Meisterin, wissen Sie das? Wenn sie am Wochenende ausgegangen ist, dann mit ihren Freundinnen. Sie hatte noch nie einen festen Freund.«
    O sicher. Und ihr nicht intaktes Hymen war ein Geburtsfehler.
    »Ich würde gern mit Ihrer Frau sprechen, Herr Ahrend«, bemerkte Danner.
    Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er das wagte. Ich sah, wie Ahrends Haltung gerader wurde. Seine Schultermuskulatur spannte sich, sodass seine Statur noch breiter wirkte. An seiner linken Schläfe schwoll eine bläuliche Ader an.
    »Vergessen Sie das, Danner! Meine Frau ist nicht umsonst nicht vernehmungsfähig. Sie verkraftet Fragen über Eva nicht. Johannes, sag doch auch was!«
    Darmierzel sprang auf wie ein Kadett, der vom Spieß beim Nickerchen erwischt worden war: »Das kann ich auf keinen Fall gestatten! In ihrem derzeitigen Zustand kann jede Aufregung einen neuen Zusammenbruch auslösen.«
    Danner schwieg einen Moment. »Gut«, sagte er dann. »Meine Nummer haben Sie, rufen Sie mich an, wenn es ihr besser geht.«
    Als ich wieder neben Danner in der Schrottschüssel saß, zog ich Evas Foto aus seiner Jackentasche: »Was hältst du davon?«
    Danner warf einen Seitenblick auf das Bild, während er den Wagen lenkte. »Profiaufnahme, optimaler Winkel, geile Belichtung. Digital, aber Spiegelreflex, würde ich sagen. Zu Hause kriegst du das nicht hin, das hat einer im Studio gemacht.«
    Aha.
    »Wir sollten rausfinden, mit wem Eva geschlafen hat«, überlegte ich laut.
    »Das wäre hilfreich«, stimmte mir Danner zu.
    »Und das würde es einfach machen, hm? Pubertierender Teenager stürzt sich wegen Liebeskummer aus dem Fenster.«
    »Gefällt dir nicht?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Aber die Bullen würden es bestimmt lieben. Ab ins Archiv mit der Akte.«
    »Verdammt!« Danner schlug wütend aufs Lenkrad. »Pubertät ist kein Selbstmordmotiv! Millionen Teenager überleben das – und die meisten haben jahrelang Liebeskummer, oder nicht?« Er sah mich an, als wollte er meine Meinung dazu hören.
    Ich zuckte die Schultern.
    Mich durfte er nach so was nicht fragen.

19.
    Zurück in seiner Wohnung schleuderte Danner die Stiefel unter die Couch und schaltete den PC ein.
    Ich hockte mich nachdenklich mit Evas Foto in der Hand auf das Sofa.
    Wenn wir herausfanden, wer das Bild gemacht hatte, half uns das weiter?
    Oder für wen sie es hatte machen lassen?
    Oder hatte das gar nichts mit ihrem Tod zu tun?
    Wahrscheinlich besaßen viele Sechzehnjährige solche Fotos.
    Um sie ihrem Freund zu schenken. Oder weil sie von einer Modelkarriere träumten.
    Nachdenklich rieb ich mir die linke Nackenseite.
    Danner bemerkte ich erst, als er hinter mir stand und den Kragen meines Rollis auseinanderzog.
    Ich konnte nicht verhindern, dass ich zusammenzuckte.
    Interessiert betrachtete er meine gelblich verfärbte Schulter. Mit einem Satz sprang er über die Lehne der Couch und landete zu dicht neben mir auf dem Polster.
    »Also wer war’s?«
    »Wer war was?«, tat ich, als wüsste ich nicht ganz genau, wovon er sprach.
    »Ich bin Schnüffler, ich lass dich nicht in Ruhe, bevor ich es weiß! Also raus damit! Dein Macker? Dein Zuhälter? Papi?«
    »Den Zuhälter nimmst du sofort zurück!«
    »Bleiben dein Freund und dein Vater übrig!«, schlussfolgerte er sofort.
    Verdammt! Ich hatte nicht aufgepasst! Er hatte schon wieder was aus mir rausgequetscht, bevor ich richtig begriffen hatte, dass ich verhört wurde.
    Er

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