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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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müsstest du dir die Sachen bei mir abholen. Meine Adresse ist Hans-Ehrenberg-Platz 8a. Direkt an der U-Bahn-Station am Schauspielhaus.«
    Bei ihm abholen?
    Bei ihm zu Hause?
    Ich zog meinen Füller aus der Jackentasche und kritzelte seine Adresse auf meinen Unterarm. Hans-Ehrenberg-Platz 8a.
    »Dritter Stock, links«, erklärte er undeutlich.
    »Okay.«
    Er öffnete mir die Tür.
    Ich musste nah an ihm vorbei, wenn ich hinauswollte.
    Ich tat ihm den Gefallen: »Schönes Wochenende!«
    »Ach, Lila –«
    Gerade als ich mich an ihm vorbeiquetschte, legte er mir eine Hand auf die Schulter und hielt mich zurück.
    »Wenn du dem Unterricht nicht folgen kannst, frag ruhig nach. Du weißt ja: Dumme Fragen gibt es nicht.«
    Ich spürte durch meinen Pullover hindurch, wie seine knochigen Finger mein Schlüsselbein entlangfuhren.
    Ich lächelte noch einmal, so freundlich ich konnte.
    Höchst zufrieden schlenderte ich fünf Minuten später über den verlassenen Schulhof.
    Lena wartete wieder am Zaun auf ihre Mutter.
    »Dittmer grapscht!«, berichtete ich direkt von meiner neuen Erkenntnis.
    Lena sah mich erstaunt an.
    Wollte sie mir etwa weismachen, dass sie das noch nicht bemerkt hatte?
    Zum Glück nicht, denn sie antwortete: »Er hat es gleich an deinem zweiten Tag versucht?«
    »Ich war die Letzte im Raum, die Gelegenheit konnte er sich nicht entgehen lassen.«
    »Mir wär’s vielleicht heute noch nicht aufgefallen, wenn Karo es mir nicht gesagt hätte«, gestand Lena unbekümmert. »Ich dachte, er wäre nur nett.«
    Ich runzelte die Stirn.
    »Schon klar«, verteidigte sich Lena schnell. »Sein Unterricht ist echt schlecht. Aber wenn eine Zensur auf der Kippe steht, lässt er dich nicht sitzen. Und er organisiert die Schülerzeitung und bietet ganz gute AGs an. Mir tut Dittmer eher leid. Der hätte Künstler oder so was werden sollen, hat sich aber nicht getraut.«
    Dittmer tat ihr leid?
    Ach, Lena.
    »Karo sagt, du gehst auch zum Schwimmtraining?«, wechselte ich das Thema, bevor ich der Versuchung nachgab, ihr meine nicht ganz so nachsichtige Meinung über grapschende Lehrer mitzuteilen.
    Lena strahlte: »Du auch? Super! Karo und Franzi zum Sport zu überreden habe ich nämlich aufgegeben. Treffen wir uns vorm Eingang?«
    Ich nickte: »Und danach tanzen?«
    Sie nickte: »Mit dem Bus sind wir um neun am ›3Eck‹.«
    Vor uns rumpelte der rote Kombi mit dem Vorderrad auf den Bordstein. Hinter dem Steuer erkannte ich die blonde Frau, die ich gestern vor dem Bistro gesehen hatte. Sie sah gut aus, aber ernst, mit einem strengen Zug um die Mundwinkel.
    Ich winkte, bis das Auto hinter der nächsten Kurve verschwand.

21.
    Ich summte vor mich hin, als ich eine halbe Stunde später die Kneipentür aufstieß.
    Molle sah mich und hob die Deckel von zwei dampfenden Töpfen. Kartoffeln, Grünkohl und Kassler – ich war im Himmel!
    Eilig setzte ich mich an den Tisch. »Du, Molle? Wäre es sehr schlimm, wenn ich heute Abend nicht servieren könnte?«
    Der Dicke zog die Brauen hoch.
    Ich machte ein schuldbewusstes Gesicht.
    »Komm Montag wieder«, brummte er mürrisch.
    Ich schaufelte mir ein paar Gabeln Grünkohl in den Mund: »Ist er schon da?«
    Molle deutete mit dem Finger zur Decke: »Lenny ist auch gerade hoch.«
    »Was?«, quietschte ich empört. »Und das sagst du mir erst jetzt?«
    Ich warf die Gabel klatschend in den Grünkohl.
    »Iss doch erst auf!«, rief Molle mir nach, ohne damit zu rechnen, dass ich auf ihn hörte.
    Ich rannte die Treppe hinauf, doch als ich Danners wütende Stimme hörte, wurde ich automatisch langsamer und bemühte mich, leise zu sein.
    Nicht dass ich absichtlich lauschte, die Gelegenheit ergab sich ja eher zufällig.
    »Vergiss es, Lenny! Ich komme nicht mit! Der Schlampe die Füße küssen ist dein Job!«
    Etwas raschelte.
    Staschek schwieg.
    Anscheinend hatte ich den interessanten Teil verpasst.
    Ich öffnete die Tür: »Wohin gehst du allein, Lenny?«
    Danner warf mir einen genervten Blick zu: »Das war ja klar.«
    Staschek antwortete nicht, sondern ging zur Tür: »Falls du deine Meinung änderst, sag mir Bescheid!«
    Verdammt, die wollten mir nichts sagen!
    Was mich natürlich noch neugieriger machte.
    Schnell entschied ich mich für eine andere Taktik: »Will denn keiner wissen, was ich heute herausgefunden habe?«
    Wie ein gieriger Karpfen schnappte Staschek nach dem Köder und verschluckte ihn sofort. Er ließ die Türklinke los: »Erzähl!«
    Ich lümmelte mich auf das Sofa und legte die

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