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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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unterrichtet. Dieses Halbjahr hatte ich allerdings den Sportunterricht übernommen. Der Lehrermangel, Sie kennen ja das Problem. Haberland ist mir nicht besonders aufgefallen, er scheint sich im Unterricht eher ruhig zu verhalten.«
    Ruhig war untertrieben. Meiner Meinung nach hatte Jendrick, der Schweiger, in seinem ganzen Leben noch keinen vollständigen Satz zustande gebracht.
    »Hat Eva je von ihm gesprochen?«, hakte Danner sachlich nach.
    »Jetzt, wo Sie es sagen …« Ahrend dachte einen Augenblick lang nach. »Ich will nichts Falsches sagen, aber ich glaube, er war eine Zeit lang unglücklich in Eva verliebt. An ihn habe ich natürlich nicht gedacht, als Sie nach Evas Bekanntschaften fragten, denn, ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass sie was für ihn übrighatte. Ist das wichtig?«
    Danner zuckte die Schultern: »Im Augenblick ist alles wichtig, was wir über Eva erfahren können. Vielen Dank.« Er wandte sich zum Gehen.
    Ich warf noch einen Blick zu Ahrends Frau hinüber. Sie war wahrscheinlich jünger, als sie aussah. Vielleicht Ende dreißig, in jedem Fall deutlich jünger als ihr Mann. Und irgendwann musste sie mal hübsch gewesen sein.
    Sie hatte sich kein einziges Mal bewegt.
    »Willst du Jendrick auch noch besuchen?«
    Danner trat aufs Gas und die Schrottschüssel dröhnte mit hundertsechzig durch die Stadt.
    Er schüttelte den Kopf: »Erstens müssen wir beide zum Schwimmtraining und zweitens ist unsere Tarnung im Arsch, wenn wir bei ihm aufkreuzen.«
    Er zog sein Handy aus der Tasche und drückte nur eine Taste, woraus ich schloss, dass die Nummer gespeichert war. »Hi, Verena. Ist Lenny da?«
    Er grinste über das, was Stascheks Frau erwiderte.
    »Du weißt doch, dass wir schon lange verheiratet wären, wenn du uns nicht im Weg stehen würdest!«
    Es dauerte noch einen Moment, bis Staschek am Apparat war.
    »Jendrick Haberland sieht nach einem Treffer aus«, erklärte Danner ohne Begrüßung. »Das heißt, du kannst zur Abwechslung mal eine Ermittlung selbst machen. Ich will wissen, ob er ein Alibi hat, ob er öfter Mädchen bespannert, ob er Eva mal genötigt hat oder ihr sonst irgendwie zu nahe gekommen ist, ob sie Angst vor ihm hatte und so weiter!«
    Ich hielt mein Ohr dicht an das Telefon, um Stascheks Antwort mitzubekommen.
    »Stell dir vor, ich hab schon mal ’n Zeugen befragt«, motzte der Polizist.
    »Worauf wartest du dann noch?« Danner legte auf, bevor Staschek antworten konnte.

23.
    Zwei Straßen vom Schwimmbad entfernt ließ mich Danner aus dem Auto springen.
    Ich schnallte mir meinen Rucksack auf den Rücken. Einen Badeanzug hatte ich nicht, denn als ich am Montagmorgen in Richtung Bielefeld in den Zug gestiegen war, hatte ich keine Ahnung gehabt, dass ich am Freitagabend als Privatdetektivin in einer Schwimmmannschaft ermitteln würde.
    Deshalb musste meine jeansblaue Unterwäsche als Bikini herhalten. Außerdem hatte ich mir ein Badelaken von Danner geborgt und seinen Fön, schwarze Stiefel für 10,50 Euro von Deichmann, meine Jeans mit den blauen Handabdrücken und ein hellblaues Glitzertop von C&A eingepackt. Dazu Haarschaum, Lipgloss und Wimperntusche.
    Als ich über den Parkplatz des Schwimmbades schlenderte, kamen im Halbdunkel drei Jungs auf mich zu. Sie hatten Sporttaschen dabei, woraus ich schloss, dass sie ebenfalls zum Training wollten.
    Der Parkplatz war menschenleer, registrierte ich automatisch.
    Im Allgemeinen hatte ich keine besondere Angst vor dunklen Gassen und abgelegenen Plätzen. Denn obwohl ich nie gewagt hatte, sie gegen meinen Vater einzusetzen, bildete ich mir ein, dass meine Karatekenntnisse ausreichten, um einem Handtaschendieb oder Gelegenheitsvergewaltiger die Nüsse zu knacken.
    Während sich die drei Unbekannten näherten, rief ich mir kurz meine Verteidigungsmöglichkeiten ins Gedächtnis: Zum Beispiel beherrschte ich ja den allseits beliebten Mr-Spock-Griff, dessen Wirkung nicht nur unter Vulkaniern, sondern auch im fernöstlichen Kampfsport geschätzt wird. Ging man am Übergang von Hals und Schulter vor der Nackenmuskulatur in die Tiefe, traf man auf einen Faszienschlauch, in dem eine Arterie, eine Vene und ein Nerv verliefen, die eine lebenswichtige Verbindung zum Gehirn darstellten. Ein leichter Druck an dieser Stelle reichte aus, um den Angreifer minutenlang bewusstlos zu machen. Für Ungeübte war der Spock-Griff allerdings nicht zu empfehlen, denn wendete man zu viel Kraft an, bestand die Gefahr, dass die Arterie riss und der Pechvogel den

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