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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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auftauche, hetzt Klara mir das Jugendamt auf den Hals. Nur so aus Spaß!«
    Wütend funkelte ich ihn an: »Hallo? Das ist doch nur eine Frage des Lippenstiftes und der Schuhe! In Pumps hält mich niemand für einen Teenager!«
    Staschek rutschte vor Lachen beinahe vom Tisch.
    Doch Danner schwieg.
    Staschek merkte es und verschluckte sich vor Schreck.
    »Das kannst du ihr doch nicht glauben, Ben! Vor drei Tagen hat sie noch behauptet, sie wäre sechzehn!«
    Danner musterte mich immer noch. »Sorry, Lenny, aber den Spaß kann ich mir nicht entgehen lassen.« Er zog zweihundert Euro aus der Tasche und drückte sie mir in die Hand: »Für Lippenstift und Schuhe. Die Party steigt nächsten Mittwoch!«
    Staschek verbarg mit gespielter Verzweiflung sein Gesicht in den Händen. Doch er erholte sich schneller als erwartet und sagte zu mir: »Ich hoffe, deine Info ist das Theater wert!«
    Ach ja, er hatte immer noch meinen Köder zwischen den Zähnen.
    Ich kletterte über die Sofalehne und ließ mich neben Danner in die Polster fallen: »In Lenas Klasse geht so ein komischer Vogel, sein Name ist Jendrick Haberland.«
    Staschek zuckte die Schultern: »Nie gehört.«
    »Ich glaube, der Typ war hinter Eva her.«
    »Ihr Freund?«
    Ich schüttelte den Kopf: »Eine eher einseitige Geschichte, fürchte ich. Sie hat ihn abblitzen lassen, er wollte es nicht akzeptieren. Ich glaube, er hat sie verfolgt, anonyme Briefchen, Telefonterror, das volle Programm. Wahrscheinlich hat er sogar bei ihr zu Hause durchs Fenster fotografiert.«
    »Was?«
    »Was genau heißt ›ich glaube‹ und ›wahrscheinlich‹?«, erkundigte sich Danner.
    »Beinahe sicher«, knirschte ich. Denn den Namen ihrer verfolgten Freundin hatte mir Karo ja nicht genannt.
    Danner nickte nachdenklich: »Wenn du recht hast, hat Evas Vater vielleicht was davon mitbekommen. Ich schätze, wir gehen ihm langsam auf die Nerven.«
    Ich schätzte, er hatte recht.

22.
    So begegneten wir auch an diesem Nachmittag wieder dem nackten, griechischen Gott in Friedrich Ahrends Vorgarten.
    »Herr Danner, Frau Ziegler«, begrüßte uns Ahrend schroff.
    Er machte keine Anstalten, uns hereinzubitten. Im Gegenteil, er presste die Lippen so fest aufeinander, dass sie jede Farbe verloren. Mit verschränkten Armen versperrte er die Tür.
    »Es hat sich noch eine Frage ergeben, Herr Ahrend«, blieb Danner unbeeindruckt. »Können wir reinkommen?«
    Ahrend musterte Danner abschätzend. Danner wich dem scharfen Blick nicht aus. Ich konnte die Spannung zwischen den beiden Männern beinahe knistern hören.
    Schließlich trat Ahrend zur Seite und ließ uns herein.
    Ich hörte Kinderstimmen im Wohnzimmer und das Klavier.
    Ein dünner, dunkelhaariger Elfjähriger machte am Esstisch Hausaufgaben. Das Mädchen am Klavier war jünger. Sie spielte die Petersburger Schlittenfahrt , was mir verriet, dass sie schon ein paar Jahre lang übte.
    Neben dem Flügel an der Terrassentür stand einer der schweren, schwarzen Ledersessel, die zu der Sofagarnitur gehörten. Und in diesem Sessel saß eine Frau.
    Seine Frau! Schneewittchens Mutter.
    Sie war dünn. Krankhaft dünn. Ihre Wangen wirkten eingefallen und bleich und ihre dunklen Haare hingen in Strähnen vor ihr Gesicht, ohne dass sie sie zur Seite strich.
    Sie trug einen Bademantel und Hausschuhe. Ihre Hände lagen in ihrem Schoß und ihre Füße standen auffallend dicht nebeneinander. Die Haltung erinnerte an Bewohner von Pflegeheimen. Als wäre sie in den Sessel gehoben worden und sitzen geblieben, wie man sie abgelegt hatte. Die Frau sah sich nicht nach uns um, sondern starrte hinaus in den Garten.
    Danner legte den Kopf schief. »Ihre Frau?«, fragte er Ahrend.
    »Sie hat heute einen besseren Tag. Trotzdem bin ich nach wie vor dagegen, dass Sie sie befragen. Simona, Konstantin, geht bitte nach oben!«
    Der Junge ließ sein Matheheft aufgeschlagen liegen. Seine kleine Schwester packte ihre Noten zusammen und folgte ihrem Bruder die Treppe hinauf.
    Ahrend wartete, bis im ersten Stock eine Zimmertür hinter ihnen zufiel.
    »Was wollen Sie?«
    »Kennen Sie einen Jungen namens Jendrick Haberland? Er geht auch in die 10d.«
    Ahrend runzelte die Stirn: »Helfen Sie meinem Gedächtnis auf die Sprünge. Wie sieht er aus?«
    »Groß, dünn, dunkle Haare, auffällige Akne, schlechte Haltung«, sprang ich ein.
    »Ah ja, ich weiß, wen Sie meinen. Sehr schlechte Haltung. Es ist ungünstig, die eigene Tochter in der Klasse zu haben, deshalb habe ich die 10d nicht oft

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