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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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versuchten Handtaschenraub nicht überlebte.
    Für Anfänger besser geeignet war ein gezielter Schlag mit den Fingerknöcheln gegen den unteren Rippenbogen. Dort führte der Nerv, der das Zwerchfell steuerte, über den Knochen hinweg. Bei einem Treffer litt das Opfer unter akuter Atemnot, ähnlich einem Asthmaanfall.
    Eine dritte Möglichkeit war ein Hieb von hinten aufs Schulterblatt. Mit ein bisschen Glück traf man den dort ebenfalls ziemlich ungeschützt verlaufenden Nerv. Auch hier trat sofortige Atemnot ein und im günstigsten Fall konnte der zugehörige Arm mehrere Stunden nicht benutzt werden.
    Die Jungs traten neben mich.
    »Hi!«, grüßte der erste und sah an mir herunter.
    Ich nickte knapp und stellte fest, dass alle drei für den Mr-Spock-Griff zu groß waren.
    »Willst du zum Schwimmen? Ich hab dich hier noch nie gesehen.«
    Sie nahmen mich in die Mitte. Alle drei waren durchtrainiert, mit breiten Schultern, die sie als Schwimmer auswiesen.
    »Bin das erste Mal dabei«, antwortete ich betont abweisend.
    Als wir an einer Laterne vorbeikamen, fiel mir auf, dass die drei nicht die Hässlichsten waren. Oberstufe, schätzte ich.
    »Du solltest nicht allein über den Parkplatz gehen«, erklärte mir der große Blonde ernst. Seine blauen Augen hatten auffallend lange, dunkle Wimpern.
    »Einem Mädchen kann im Dunkeln einiges passieren«, bestätigte der Zweite und ich fragte mich, ob mir das Angst machen sollte. Er trug eine Brille und einen lockigen, braunen Pferdeschwanz und zwinkerte mir zu.
    »Besonders, wenn sie geil aussieht!«, fügte der Dritte mit leicht türkischem Akzent hinzu. »Und auf einer Skala von eins bis zehn kriegst du eine glatte Zehn von mir.«
    Ich zog die Augenbrauen hoch.
    Wie ein Pferd bei einer Auktion begutachtet zu werden ist für eine treue EMMA- Leserin ein fast ebenso guter Grund für einen Tritt in die Familienplanung wie ein Handtaschenraub.
    »War das zu direkt?«, deutete der Türke meinen wütenden Blick richtig. »Entschuldige, ist eine schlechte Angewohnheit, immer zu sagen, was man gerade denkt. Verzeihst du mir?«
    Ich sah kurz auf den Boden, um sicherzugehen, dass sein Schleim den Asphalt nicht hatte glitschig werden lassen.
    »Gibt Schlimmeres«, knurrte ich.
    Ich war mir nicht sicher, was ich von den dreien halten sollte. Drohten die mir? Oder war das nur die Macht der Gewohnheit? Wenn Jungs im Rudel auftreten, wird ja gern prophylaktisch alles angemacht, was Titten hat.
    Der schöne Blonde hielt mir die Tür zum Schwimmbad auf. Sofort schlug mir die feuchtwarme, nach Chlor riechende Luft entgegen.
    Lena wartete an der Kasse auf mich.
    Die drei Jungen ließen uns einigermaßen charmant den Vortritt und mir entging nicht, dass Lena sich eine Haarsträhne aus der Stirn strich.
    Ich verbiss mir das Grinsen. Wahrscheinlich ahnte sie gar nicht, wie ähnlich sie ihrem Vater war.
    Während wir zu den Umkleidekabinen liefen, wiegte Lena die Hüften ein klein wenig mehr als sonst hin und her. Das war ein paar Nachforschungen wert, fand ich.
    »Wer waren die Typen?«, erkundigte ich mich also, als wir gleich darauf in den nicht sonderlich sauberen Großraumumkleiden unsere Sachen einschlossen.
    »Mario Wache, Dominik Seibold und Orkan Özer. Zwölfte«, erklärte Lena knapp.
    »Und welcher ist dein Favorit?«
    »Keiner!«, versicherte sie erschrocken und wurde rot.
    Ich runzelte die Stirn. »Die sind doch alle drei ganz lecker, oder nicht?«, bohrte ich nach.
    Empört schüttelte sie den Kopf.
    Ich war mir nicht sicher, ob sie absichtlich log oder ob sie sich die Wahrheit selbst nicht eingestehen wollte. Wahrscheinlich eher die zweite Möglichkeit, denn wenn sie log, dann ziemlich gut, und das traute ich Lena eigentlich nicht zu. Sie war also wahrscheinlich scharf auf einen der drei Typen, wollte es aber nicht wahrhaben. Die Frage war: Warum nicht?
    Die meisten Sechzehnjährigen schwärmen doch mit Freude für etwas ältere, gut aussehende, sportliche Jungs wie die drei Aufreißer vom Parkplatz.
    Ich beschloss, den Grund herauszufinden.
    Bei dem Schwimmbad handelte es sich um ein altmodisch einfaches Hallenbad. Keine hundert Meter lange Riesenrutsche, kein Whirlpool, keine Südsee-Atmosphäre.
    Im Becken herrschte bereits Betrieb, als wir eintraten. Laute Stimmen schallten durch die Halle, der Überlauf rauschte und einige Mädchen sprangen von den Startblöcken aus ins Wasser. Weiß-rote Schwimmleinen unterteilten das Becken in Bahnen.
    Am linken Beckenrand stand Danner und

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