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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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ignorierte uns.
    Eine Sekunde lang war ich abgelenkt, deshalb traf mich der Schreck im nächsten Augenblick unvorbereitet. Susanne Lehnert stand vor mir. In geblümten Badelatschen und einem – Minirock!?!?
    Ich blinzelte entsetzt.
    Tatsächlich trug sie ein blassgelbes Röckchen, das nicht mal die Hälfte ihrer Oberschenkel bedeckte. Es gewährte eine wirklich nicht sehenswerte Aussicht auf ihre dürren X-Beine und ich fragte mich, ob ich von unten im Wasser nicht mehr sehen musste, als mir lieb war.
    Wen wollte die denn anmachen?
    Oi!
    In dem Moment, in dem mir die Frage durch den Kopf ging, kannte ich die Antwort.
    Wie zum Teufel schaffte er das?
    Noch einmal riskierte ich einen Blick zu Danner hinüber. Ohne Zweifel übte er irgendeine mysteriöse Anziehungskraft auf Frauen aus.
    Der Grund dafür war in Lehnerts Fall möglicherweise nicht seine ätzende Art, überlegte ich, sondern die deutliche Rückenmuskelpartie, die auch unter dem Shirt, das er heute trug, beim besten Willen nicht zu übersehen war.
    »Lila! Schön, dass du da bist!«, trompetete Lehnert mir entgegen und warf ihr Becken zur Seite. »Hat Lena dir alles gezeigt?«
    Sie erwartete keine Antwort.
    »Wie gesagt, ich muss mich der Mannschaft widmen, die Landesmeisterschaften stehen noch bevor! Wir schwimmen zehn Bahnen Freistil zum Warmwerden! Auf, auf!«
    Auf, auf?
    Entweder hielt sie mich für schwerhörig oder sie flirtete schlechter als eine Zehnjährige.
    Ich beeilte mich, auf den Startblock zu steigen.
    Außer Lena befanden sich schon Carmen Montag und Sinja Steilen im Wasser, die in unsere Klasse gingen. Eine furchtbar dürre Russin namens Iefgenia war in unserer Parallelklasse, erklärte mir Lena, die anderen fünf stammten aus der Oberstufe.
    Nach dem Warmschwimmen trainierte Lehnert mit dem Kader eine Staffel auf Zeit, während wir übrigen mit Schwimmbrettern den Kraulbeinschlag üben sollten. Ab und zu kam sie herüber, bückte sich und rief jemandem eine Korrektur zu – allerdings eher mit dem Ziel, Danner unter ihren Rock gucken zu lassen.
    Ich kam ganz gut mit. Mit Schwimmen hatte ich unbeabsichtigt ein paar Punkte fürs Abi geholt, obwohl ich nie auf die Idee gekommen wäre, meine Freizeit für einen Verein zu opfern.
    Eine knappe Stunde später standen wir unter der Dusche und ich schnorrte mir bei Lena Shampoo.
    »Ist das nicht peinlich, wie die Lehnert sich an den Martens ranschmeißt?« Einen Fuß gegen den Schalter der Dusche gestellt, spülte ich den Schaum ab, ansonsten wäre der mickrige Wasserstrahl erstorben, noch bevor meine Hände meine Haare erreichten hätten.
    »Meinst du echt, die ist scharf auf ihn?« Lena verzog das Gesicht, als hätte ich behauptet, jemand würde auf ihren Vater stehen. Wahrscheinlich war das auch ähnlich unvorstellbar für sie.
    Nun ja, für mich nicht.
    »Das hast du nicht gemerkt?« Ich wrang meine zusammengeknüllte Unterwäsche aus und wickelte mich in Danners Handtuch.
    Lena dachte ungläubig über diese sehr unwahrscheinliche Möglichkeit nach. Ach, Lena.
    »Kann ich den Schrankschlüssel schon mitnehmen?« Ich hatte ihn bereits in der Hand.
    »Klar, ich komme gleich nach.«
    Die Umkleidekabine war leer.
    Unsere Rucksäcke hatten wir übereinander in den Schrank gestopft. Ich zog Lenas Tasche heraus und stellte sie auf einer Plastikbank ab. Dabei purzelten ihre Socken, die sie einfach obendrauf geworfen hatte, auf den Boden. Ich stopfte die Strümpfe zurück und sah mir bei der Gelegenheit an, was sie sonst noch in ihrer Tasche hatte. Jeans, ein rosa Shirt für die Disco, Haarfön. Mein Blick fiel auf einen halb offenen Reißverschluss, aus dem der Griff einer Bürste und die geknickte Ecke eines Fotos ragten.
    Ohne lange zu zögern, zog ich das Bild heraus.
    Häh?
    Verblüfft betrachtete ich die zerknitterte Aufnahme.
    Im ersten Moment hatte ich es für ein Foto aus einem Katalog gehalten. Aber es zeigte Lena, eindeutig! Ihre langen, braunen Haare waren kunstvoll auf ihrer rechten Schulter arrangiert, das Make-up betonte Stascheks Kastanienaugen und, weil sie auf dem Bauch lag, war nicht zu übersehen, dass das Höschen ihres gelben Bikinis ein String war.
    Was hatte denn das zu bedeuten?
    Gerade noch rechtzeitig hörte ich Lenas tapsende Schritte auf den Fliesen.
    Schnell schob ich das Foto in die Seitentasche meines eigenen Rucksacks.
    »Sag mal, hast du einen Lippenstift dabei?«, fragte Lena und schleuderte ihr nasses Handtuch auf die Bank neben ihre Tasche.
    »Gloss. Rosa, Water

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