Der 13. Brief
vertrug.
Ich fühlte mich, als hätte ich Freundinnen. Richtige Freundinnen, mit denen ich all die Dinge bequatschen konnte, die ganz normale Mädchen bequatschen.
Also hauptsächlich Klamotten und Sex.
Natürlich war mir vollkommen klar, dass unsere neue Frauenfreundschaft in dem Moment enden würde, in dem Lena herausfand, dass ihr Vater mich für die Lügen bezahlte, die ich ihr erzählte.
Aber das Gefühl war zu gut, als dass ich es mir jetzt von diesen Gedanken kaputtmachen lassen wollte, also verdrängte ich das alles einfach.
Im Verdrängen war ich schließlich Meisterin.
28.
Als ich Sonntagmorgen vom Brummen meines Schädels erwachte, war es halb zehn.
Ich setzte mich auf.
»Na, das wird auch Zeit!«
Erschrocken sprang ich in die Höhe.
Danner hatte die Arme direkt neben mir auf die Sofalehne gestützt und betrachtete mich belustigt.
Ich versuchte erfolglos, meine Haare aus meinem Gesicht zu wurschteln.
»Bist du ansprechbar?«, erkundigte er sich, während er zum Computer hinüberging.
Ich ignorierte das leichte Pochen in meinen Schläfen.
»Ich habe mir gestern in dem McDonald’s-Laden in der Nähe der Schule einen Cheeseburger geholt. Natürlich konnte sich niemand daran erinnern, ob Jendrick Haberland Dienstag vor vier Wochen um Viertel vor fünf Chicken McNuggets bestellt hat. Ich schätze, die Hälfte aller Schüler verdrückt dort nach dem Unterricht einen Burger.«
Ich zerrte mein Shirt über meine Unterhose und trat hinter Danner an den PC.
Ein Regenbogen, auf dem in goldenen Buchstaben Rainbow-Girls zu lesen war, füllte den Bildschirm aus. Daneben räkelte sich ein dunkelhäutiges Mädchen auf einem Badehandtuch.
» Rainbow-Girls ist eine Modelagentur in Essen.« Danner klickte auf den Schriftzug Unsere Models. Schon erschienen passfotoartige Bilder verschiedener Mädchen.
Danner klickte die Reihe durch bis zu einem Foto von Iefgenia Antonczyk.
»Iefgenia meint es also ernst mit der Modelkarriere«, bemerkte Danner. »Die Agentur scheint einigermaßen seriös zu sein. Ich habe gestern Abend noch mit der Inhaberin telefoniert. Sie sagte, Iefgenia hätte sich wie alle Mädchen mit einer kompletten Mappe bei ihr vorgestellt. Wenn das wahr ist, hat sie erst die Fotos, die uns interessieren, gemacht und sich dann damit beworben. Eva und Lena kennen die in der Agentur angeblich nicht – und zum Glück habe ich auch kein Foto von Lena auf ihrer Seite gefunden. Sieht für mich wie eine Sackgasse aus. Ich nehme den Laden natürlich trotzdem noch mal unter die Lupe – oder hast du zufällig gestern Abend was über die Bilder rausgefunden?«
Ich schüttelte den Kopf.
Ich hielt es nicht für unbedingt nötig zu erwähnen, dass ich meine Ermittlungen wegen Alkohols im Dienst ziemlich früh hatte einstellen müssen.
Danner fuhr sich mit beiden Händen über den kahlen Schädel. »Wenn ich Lena nach den Fotos frage, lacht sie sich tot. Ich muss Lenny aber davon erzählen und allein dafür erschießt er mich wahrscheinlich im Affekt. Wenn du also noch eine Idee hast, wie man mein Leben verlängern könnte, bin ich für alles offen.«
Mein Gehirn erreichte allmählich Betriebstemperatur. War das jetzt ein Geistesblitz oder eine Schnapsidee?
»Vielleicht fällt mir wirklich was ein«, überlegte ich laut. »Vielleicht bin ich bereit, mich derartig lächerlich zu machen.«
Danner musterte mich abschätzend. Er sah mich so direkt an, dass ich für eine Sekunde mein Spiegelbild in seinen klaren, grauen Augen erkennen konnte.
Ein leichter Schauer kribbelte meinen Rücken hinauf und verjagte meinen Kater.
In der nächsten Sekunde war Danner mit einem Satz am Fenster. »Zieh dir was an! Sofort!«, fuhr er mich an und verschwand unter dem Schreibtisch.
Ich gehorchte, obwohl ich normalerweise nicht dazu neigte, Befehle zu befolgen.
Draußen klappte eine Autotür.
Während Danner irgendwelche Kabel sortierte, zog ich meine Jeans über und lief zum Fenster. Unten vor der Kneipe stand ein Polizeiwagen.
»Es ist Sonntagmorgen, du glaubst doch nicht, dass die …?«
Doch, glaubte er, denn er riss die Kopie des Autopsieberichtes aus dem Umschlag mit Evas Fotos und faltete die beiden DIN-A4-Blätter, bis sie die Größe eines Briefumschlages erreichten.
Es klingelte.
»Hast du einen BH an?«, fragte er mich.
Ich nickte.
»Dann tu mal was für deine Oberweite!« Er drückte mir die Zettel in die Hand.
Es klingelte noch mal.
Schnell stopfte ich das Papier in die Körbchen meines
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