Der 13. Brief
direkt nach Hause gefahren? Oder haben Sie noch mit irgendjemandem gesprochen, irgendwo angehalten?«, erkundigte ich mich, obwohl Danner sein Alibi mit Sicherheit schon geprüft hatte.
Morgenroth runzelte die Stirn. »Am Bahnhof. Ich setze die Kollegin Berthold dienstags und donnerstags immer dort ab. Wieso?«
Zu meinem Glück klingelte es zur nächsten Stunde, sodass ich unser Gespräch beenden konnte.
»Nur so. Vielen Dank, dass Sie Zeit für mich hatten«, verabschiedete ich mich und sprang die Treppe hinunter.
Er sah mir verwirrt nach, die Wirbelsäule neben seinen Füßen auf der Stufe.
34.
Zum Schwimmtraining an diesem Abend hatte ich nicht nur ein Badelaken, den Fön und meine zum Bikini umfunktionierte Unterwäsche mitgebracht, sondern auch zwei der Fotos, die Danner von mir gemacht hatte, und vier Flaschen eines Cola-Schwarzbier-Gemischs, hergestellt von einem mir völlig unbekannten Herrn Fiege. Ein paar normale Cab-Flaschen hätten es auch getan, aber die hatte ich in Molles Keller nicht auftreiben können. Das Fiege-Bier hatte immerhin den Vorteil, dass sich der Bügelverschluss leicht wieder verschließen ließ, nachdem ich den Inhalt von zwei der Flaschen mit Wodka verschärft hatte. An den durch das Öffnen eingerissenen Etiketts konnte ich die betreffenden Flaschen erkennen.
Dass ich eine miese Ratte war, hatte ich ja schon immer gewusst, daran ließ sich sowieso nichts mehr ändern.
Dieses Mal würde ich Lena ausquetschen, egal, ob sie Tränen in den Rehaugen hatte oder nicht! Ich würde rauskriegen, was zwischen ihr und Eva schiefgelaufen war – auch wenn ich mein neuerdings so sensibles Gewissen dafür mit einem Karateschlag in die Fresse zum Schweigen bringen musste.
Als wir die Schwimmhalle betraten, übte die Lehnert bereits wieder ihren knochigen Hüftschwung. Lena, die das seltsame Balzverhalten der Lehrerin inzwischen richtig interpretierte, tippte mich an.
»Sieh dir das an!« Sie deutete auf die fleischfarbene Unterhose, die unter dem Tennismini gut zu sehen war. »Das gibt es doch nicht!«
»Lena, Lila! Schön, dass ihr gekommen seid! Ich meine, trotz dieser neuen Tragödie.« Die Lehrerin eilte mit flatterndem Röckchen auf uns zu. »Das muss ja ein Schock gewesen sein.«
Sie selbst schien nicht besonders berührt davon, dass sich einer ihrer Schüler an einem Joystickkabel erhängt hatte. Wie eine läufige Hündin wedelte sie mit ihrem nicht vorhandenen Hintern in Danners Richtung.
»Auf! Auf!«
Bevor sie das noch einmal wiederholen konnte, sprang ich ins Wasser. Erst nach ein paar Schwimmzügen merkte ich, dass Lena mir nicht gefolgt war. Ich hielt inne und sah mich nach ihr um.
Lena stand neben Danner.
Danner schnitt eine Grimasse und Lena grinste.
Zum allerersten Mal war offensichtlich, dass sie sich kannten. Dass sie sich gut kannten, denn Danner zum Lachen zu bringen, war ja nicht einfach.
»Was hast du zu Martens gesagt?«, fragte ich, als Lena mich einholte.
»Dass sein Auto im Halteverbot steht.«
»Wirklich? Was fährt er denn?«
»So ’ne alte Kiste. Ich zeig sie dir bei Gelegenheit.«
Sie überholte mich mit ein paar schnellen Kraulzügen.
Eine Stunde später standen wir mit schlecht gefönten Haaren vor dem Ausgang. Alle anderen waren schon weg.
Dem schönen Mario hatte Lena ein ehrfürchtiges Tschüss hinterhergehaucht.
Wie abgesprochen tauchte Staschek nicht auf.
Ich sah auf die Uhr. »Ich muss gleich los, wenn ich meinen Bus kriegen will. Wer soll dich abholen?«
»Mein Alter! Wenn der mir wieder mit irgendeinem Mord kommt, kriegt er was zu hören.«
»Willst du nicht auch Bus fahren?«, fragte ich nach weiteren fünf Minuten. »Ich meine, der kann doch nicht erwarten, dass du hier ewig stehst.«
Lena zögerte: »Von der Haltestelle sind es zehn Minuten bis nach Hause, ich soll im Dunkeln nicht allein gehen.«
»Dann komme ich halt noch mit und fahre mit dem nächsten Bus weiter. Ist doch kein Problem.«
»Dann musst du ja allein gehen.«
»Ich kann Karate.«
»Haha.«
»Willst du hier lieber allein weiter warten? Ich muss jetzt jedenfalls los«, setzte ich auf den Herdentrieb.
»Okay, ich komm mit«, gab Lena nach.
Kurzerhand hakte sie sich mal wieder bei mir ein und gemeinsam marschierten wir zur Haltestelle.
Als wir im Bus nebeneinandersaßen, zog ich zwei Flaschen Cola-Bier aus meinem Rucksack. Ich ließ Lenas Flasche aufploppen, bevor ich sie ihr hinhielt, damit ihr das eingerissene Etikett nicht verriet, dass der
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