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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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Bügelverschluss schon einmal geöffnet gewesen war.
    Lena tickte ihre Pulle gegen meine und nahm einen langen Zug. Schweigend saßen wir nebeneinander. Ich wartete ab, damit der Wodka wirken konnte.
    »Glaubst du wirklich, dass man es nicht verhindern kann?«, fragte Lena tatsächlich, nachdem wir am Rathaus umgestiegen waren.
    Ich runzelte die Stirn, als könnte ich ihr nicht ganz folgen.
    »Oder willst du es nur glauben, weil du dann vielleicht irgendwann aufhörst, dir Vorwürfe zu machen?«
    Ich zuckte die Schultern.
    »Ich habe Eva hängen lassen«, sprach Lena weiter. »Ich habe ihr keinen Brief mehr geschrieben, obwohl ich dran war. Eva konnte das wirklich gut. Schreiben, meine ich. Sie hat Artikel für die Schülerzeitung verfasst. Und wir hatten eine Mappe für unsere Briefe und Gedichte und so ein Zeug.«
    Lena leerte ihre Flasche auf ex.
    Ich zog das nächste Bier aus meinem Rucksack und öffnete es wieder für Lena.
    »Wieso hast du ihr nicht mehr geschrieben?«
    Lena antwortete nicht, weil wir aussteigen mussten. Ich nahm mein noch halb volles Fiege-Bier und schnallte meinen Rucksack auf den Rücken.
    Diesmal war ich es, die sich bei Lena einhakte.
    »Also, was war mit den Briefen?«, versuchte ich, den Faden wieder aufzunehmen, als wir nebeneinander hergingen. Der im Laternenlicht nass glänzende Asphalt der Straße zog sich wie ein schwarzes Band zwischen den mehrstöckigen Wohngebäuden entlang.
    Einen Augenblick lang glaubte ich, Lena würde nicht antworten. Erst unter der nächsten Straßenlaterne sah ich die Tränen in ihrem Gesicht.
    Bestürzt blieb ich stehen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.
    Gut, ich wusste es natürlich schon, ich wusste nur nicht, ob ausgerechnet ich es konnte.
    Ich gab mir einen Ruck und nahm Lena in den Arm.
    »Ich war so eifersüchtig!«, schluchzte sie. »Wie konnte ich nur so eine Zicke sein?«
    »Es ist das Blödeste, was ich sagen kann«, murmelte ich, »aber ich verstehe, was du meinst.«
    Erstaunt bemerkte ich, dass ich es anscheinend geschafft hatte, sie zu trösten. Sie wischte sich die Nase mit dem Ärmel ab und ich entzog mich vorsichtig ihrer Umarmung.
    »Eva war mit Mario zusammen«, schniefte Lena.
    Ich tat verblüfft: »Mit dem Mario?«
    Lena nickte.
    »Was für eine blöde Kuh! Sie wusste doch, dass du auf ihn stehst, oder etwa nicht?«, schnappte ich empört.
    Lena schüttelte den Kopf: »Sie war beinahe ekelhaft anständig! Sie hat gefragt, ob ich was dagegen hätte, und ich habe gesagt, es wäre kein Problem, er wäre mir völlig egal. Ich wollte nicht dastehen, wie die neidische kleine Freundin! Ich wollte ihr das nicht versauen, sie war so verliebt und sie hatte noch nie einen Freund gehabt.«
    »Hatte sie eine Warze auf der Nase oder war sie katholisch?«
    Lena lächelte ein wenig: »Mit ihrer Nase war alles in Ordnung. Sie hatte einfach keine Zeit, wegen dem Sport, denke ich. Ihr Vater hat Eva vier Mal die Woche trainiert, der ist fast so ein Sklaventreiber wie – Martens. Da blieb keine Zeit für einen festen Freund.«
    Und trotz fehlender Vorkenntnisse behauptete Mario, Eva hätte Spitzenleistungen auf der Matratze gebracht? Entweder war Eva Ahrend auch im Bett ein Naturtalent gewesen oder der schöne Mario hatte die Wahrheit ein bisschen aufpoliert!
    »Was für eine Streberin«, konnte ich mir nicht verkneifen zu murmeln.
    »Nach dem Abi wollte sie nach München in den Nationalkader«, verteidigte Lena ihre tote Freundin automatisch. »Ihr Vater hat noch Kontakte, der war auch mal deutscher Meister.«
    Wir waren vor dem schicken Wohnhaus angekommen, vor dem Staschek Lena nach der Disco abgesetzt hatte.
    »Aber dann hat sie ihren Ehrgeiz vergessen und sich Mario geschnappt?«
    Lena nickte. Sie lehnte sich gegen einen ziemlich neuen Kombi, der an der Straße parkte. Ich kletterte auf die Motorhaube des Wagens und faltete die Beine zum Schneidersitz zusammen. Das Blech war kalt und ein bisschen nass.
    Ich klirrte meine Flasche gegen Lenas und nahm einen Schluck. Wieder trank Lena mit.
    »Ich dachte, Mario würde sie sitzen lassen, sobald er sie rumgekriegt hatte. Das macht er eigentlich mit allen«, erklärte sie dann.
    »Aber sie hat er nicht abserviert?« Was wiederum für matratzentechnische Spitzenleistungen sprach.
    »Und sie hat wegen ihm sogar das Training sausen lassen.«
    Lena leerte ihre zweite Flasche.
    »Aber als er doch eine Neue hatte, ist sie aus dem Fenster gesprungen?«, riet ich.
    Lena schüttelte den Kopf: »Nein. Ich glaube,

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