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Der 13. Engel

Der 13. Engel

Titel: Der 13. Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Borlik
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Spitzen ihrer Ohren verfärbten sich. »Das ist überhaupt nicht komisch«, zischte sie beleidigt.
    »Ist es auch nicht«, gab Finn ihr recht, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. »Aber dich deshalb gleich als Missgeburt zu beschimpfen … Das ist echt fies! Dann kannst du eben nicht zaubern. Na und? Und um ehrlich zu sein, habe ich ein ganz ähnliches Problem.«
    »Wirklich?«, fragte Amy hoffnungsvoll.
    Finn nickte. »Ich bin der mieseste Zauberer der Stadt.«
    Amy musterte ihn skeptisch.
    »Ganz bestimmt«, sagte er überzeugt. »Ich wurde nie in Magie unterrichtet. Natürlich schnappt man mit der Zeit auch auf der Straße den ein oder anderen Zauberspruch auf, aber während meine Freunde sie mit Leichtigkeit erlernten, wollten sie mir nie gelingen. Das Einzige, was ich wirklich kann, ist Trugbilder heraufzubeschwören.«
    Amy sah ihn verblüfft an. »Trugbilder?«
    »Dinge, die real aussehen, es aber nicht sind. Sie zu rufen, kostet mich sehr viel Kraft. Zudem halten sie nicht besonders lange.« Er verzog missgelaunt das Gesicht. »Tja, das ist auch nicht wirklich besser.«
    Amy grinste plötzlich. Es war das erste Mal, dass sie jemandem begegnete, der auch Probleme mit der Zauberei hatte.
    »Meister Chang hat mir inzwischen sogar verboten, bei der Gartenarbeit zu zaubern«, erzählte Finn bereits weiter. »Ich habe nämlich mal versucht, mit Magie eine umgefallene Schubkarre wieder aufzustellen. Das hättest du sehen müssen! Die hat plötzlich gebockt wie ein wildes Pferd.« Er lächelte verlegen. »Zu allem Übel hat sie Meister Chang auch noch gebissen. Muss ziemlich wehgetan haben, so grün wie er angelaufen ist.«
    Amy lachte auf. »Und ich dachte, dieser Garten steckt voller Magie.«
    »Tut er ja auch.« Finn schnaubte. »Meister Chang hat versucht, es zu verhindern. Deine Tante wollte jedoch nicht auf ihn hören. Sie glaubt wohl, dass die Dinge nur dann richtig gelingen, wenn auch etwas Magie drinsteckt. Also hat sie einen Zauber über den Garten gesprochen, damit es hier wärmer ist und auch öfter regnet.« Er verdrehte die Augen. »Als ob eine Gießkanne es nicht auch getan hätte.«
    »Das ist so typisch für sie.«
    »Ich glaub, ich weiß etwas, dass dich aufmuntern wird«, sagte Finn. »Hier im Garten wächst eine seltene Blume. Sie heißt Mondfeuer, weil sie nur bei Vollmond blüht. Und das ist schon in vier Tagen. Da musst du unbedingt dabei sein!«
    »Hm, ich weiß nicht, dann müsste ich mich ja nachts aus dem Haus schleichen. Wenn mich meine Tante dabei …« Amy verstummte. Was interessierte sie, was Tante Hester dachte? Ihr war es schließlich auch egal, wie sich Amy fühlte. »Und wie sieht dieses Mondfeuer aus?«
    Finn überlegte kurz. »Es ist eine große silberblaue Blüte und aus ihrer Mitte züngelt eine elfenbeinfarbene Flamme, die wie brennendes Mondlicht aussieht. Und sie singt. Na ja, zumindest hört es sich so an, wenn der Wind die Blütenblätter streift. Dann erfüllt ein sanftes und helles Klingeln die Luft.«
    »Das klingt schön.«
    Finn lächelte. »Nur mit der Nase sollte man der Blüte nicht zu nahe kommen. Das kann ziemlich wehtun.«
    »Warum das?«, fragte Amy.
    »Die Elfenbeinflamme ist kalt wie Eis. Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche.« Er rieb sich die Nasenspitze.
    Amy kicherte.
    »Leider blüht das Mondfeuer nur wenige Stunden lang«, sagte Finn kurz darauf ein wenig traurig. »Sobald am Morgen die Sonne aufgeht, welkt sie und zerfällt zu Staub. Ist man jedoch dabei, wenn sich die Blüte öffnet, darf man sich etwas wünschen. Keine Ahnung, ob es wirklich wahr wird. Meister Chang glaubt jedenfalls fest daran.«
    »Versprich mir, mich zu holen, wenn es so weit ist, ja?«, bat Amy ihn aufgeregt. Sie wusste schon ganz genau, was sie sich wünschen würde.
    Finn nickte. »Dann treffen wir uns Donnerstag gegen Mitternacht hier am Teich.«
    »Abgemacht.« Ein Schatten huschte über Amys Gesicht. »Ich muss jetzt leider gehen. Je eher ich mich meiner Tante stelle, desto schneller hab ich es hinter mir.«

Straßengaukeleien
    Tante Hester hatte ihre Nichte zur Strafe ohne Abendessen auf ihr Zimmer geschickt. Amy war das egal, da sie nach dem heutigen Tag sowieso keinen Bissen herunterbekommen hätte. Erstaunlicherweise hatte ihre Tante ansonsten kein weiteres Wort mehr über ihren Streit vom Nachmittag verloren.
    Amy lag in ihrem Bett und starrte an die von schwarzen Schatten überzogene Zimmerdecke. So vieles hatte sie heute verloren, aber vielleicht auch einen

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