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Der 13. Engel

Der 13. Engel

Titel: Der 13. Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Borlik
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amputiert werden?«
    Amy verdrehte die Augen. Jungs! »Nein, aber es wird bestimmt eine Narbe zurückbleiben.«
    »Eine Narbe?!« Finn klang plötzlich aufgeregt. »Du meinst eine richtige Narbe, die ich jedem zeigen kann?«
    »Zum Angeben wird sie groß genug sein«, grummelte Amy. Sie stand kopfschüttelnd auf, um von nebenan frisches Wasser zu holen, mit dem sie das Blut von Finns Arm wusch. Anschließend verband sie die Verletzung mit dem anderen Schal. »Und jetzt halt ihn ruhig, damit die Wunde nicht wieder aufreißt!«
    »Es brennt höllisch«, sagte Finn mit gequälter Miene. »Und ich habe schrecklichen Durst.«
    »Schon gut, ich hol dir was.«

    Die nächsten zwei Tage war Finn nicht vom Sofa zu bewegen. Mit Leidensmiene lag er da und genoss es, von Amy gepflegt zu werden. Bekam er nicht genug Aufmerksamkeit, stieß er lange, vorwurfsvolle Seufzer aus, mit denen er ihr offensichtlich ein schlechtes Gewissen zu machen versuchte.
    Zu Amys Leidwesen funktionierte das nur zu gut. Schließlich war Finn nur deshalb verletzt, weil sie ihn in die ganze Sache hineingezogen hatte.
    »Du siehst schon wieder viel besser aus«, sagte Amy, als sie sich am Dienstagabend zu ihm aufs Sofa setzte.
    »Der Arm tut immer noch höllisch weh, wenn ich ihn bewege.« Finn sah sie mit großen traurigen Hundeaugen an.
    »Dann beweg ihn nicht«, erwiderte Amy leicht gereizt.
    »Was ist denn mit dir los?«
    »Was wohl? Mir läuft die Zeit davon. Morgen ist schon die halbe Woche vorbei. Und in fünf Tagen ist die Krönung von Prinz Henry.«
    »Ich weiß«, sagte Finn. »Ich hatte so sehr gehofft, dass der uralte Text, auf den dein Vater gestoßen war, uns verraten würde, wie man die Engel ruft. Dann wären all unsere Probleme gelöst gewesen.«
    »Ich werde morgen nach diesem Aurelius suchen, von dem Mr Burbridge gesprochen hat«, sagte Amy überraschend. »Ich muss mit ihm reden. Du kannst natürlich hierbleiben, wenn du dich noch nicht stark genug fühlst.«
    Er schüttelte heftig den Kopf. »Ich kann dich auf keinen Fall alleine gehen lassen. Es gibt so viele Gerüchte über diese alte Ruine im Park …«
    »Was für Gerüchte?«, wollte Amy wissen.
    »Ich bin selber nie da gewesen, aber die anderen Kinder haben mir erzählt, dass es dort spuken soll.« Er holte hörbar Luft. »Ein paar von ihnen wollten mal in dem alten Gemäuer übernachten. Sie haben es eine Stunde lang darin ausgehalten, bevor sie schreiend getürmt sind.«
    »Hm.« Amy starrte grüblerisch in die Flammen. »Mr Burbridge hat uns gewarnt, dass es gefährlich werden könnte.«
    »Vielleicht solltest du es dir …«
    »Nein!«, fiel sie ihm harsch ins Wort. »Ich muss zu ihm. Er ist wahrscheinlich der Einzige, der mir meine Fragen über die Engel beantworten kann.«
    »Du meinst, wie man sie ruft?« Finn musterte sie von der Seite. »Ich wünsche mir nichts mehr, als dass es solch einen Zauber gibt. Ja, wirklich. Nur, wenn die Engel die Beschützer der königlichen Familie sind, warum haben sie dann nicht schon längst eingegriffen, hm?« Er seufzte. »Warum haben sie all das zugelassen, was uns in den vergangenen Tagen zugestoßen ist, anstatt uns zu helfen? Wir kämpfen doch auf derselben Seite.« Er schüttelte müde den Kopf. »Ich fürchte, dass diese Legende bloß ein Märchen ist, das Eltern ihren Kindern vor dem Zubettgehen erzählen. In Wahrheit hat es die Engel bestimmt niemals gegeben.«
    »Darum geht es mir ja gerade: um die Wahrheit«, sagte Amy ernst. »Aurelius kennt sie vielleicht. Und egal, wie gefährlich er ist: Um meinem Vater zu helfen, würde ich alles tun. Ich dachte, du würdest das verstehen?!«
    Er lächelte ergeben. »Glaubst du, ich wäre noch hier, wenn es anders wäre?«
    »Nein, sicher nicht.« Amy drückte dankbar seine Hand. »Du bist der beste Freund, den ich je hatte.«
    »Wirklich?« Finn blickte zu Boden. Er wirkte plötzlich beschämt.
    »Was ist mit dir?«
    Er sah nicht auf, als er mit glühenden Ohren erwiderte: »Ich habe dich angelogen. Und es tut mir leid, so entsetzlich leid!«
    Amy versteifte sich. Das war ganz und gar nicht das, was sie erwartet hatte. »Was?«
    Finn zog den Kopf zwischen die Schultern. »Ich habe dich ange …«
    »Ich habe dich schon verstanden«, fuhr sie ihn scharf an. »Aber was willst du mir damit sagen? Du arbeitest doch nicht etwa mit Lucia und meiner Tante zusammen?«
    Finn sah erschrocken auf und schüttelte hastig den Kopf.
    Amy atmete erleichtert auf. Das war ihre schlimmste Sorge gewesen.

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