Der 13. Engel
ihrer Seite und vor der Haustür warteten Mr Black und Mr Greymore, die ihr bestimmt zu Hilfe gekommen sind.«
»Na ja, dieser Cornelius wirkte auch nicht gerade hilflos.« Finn schüttelte sich. »So etwas habe ich noch nie gesehen. Diese schwarzen Blitze! Ich wette, wenn uns einer davon getroffen hätte, wären wir auf der Stelle tot gewesen.«
Amy nickte.
»Die beiden müssen ziemlich mächtig sein«, sagte Finn und starrte düster vor sich hin. »Vielleicht sind sie sogar die mächtigsten Zauberer auf der Welt.«
»Hm, ja, vielleicht«, sagte Amy ausweichend.
»Du verheimlichst mir doch etwas.« Finn sah sie argwöhnisch an. »Warum? Vertraust du mir so wenig?«
»Das ist es nicht. Ich … ich bin mir nur nicht sicher.« Sie begann kleine Flusen von ihrem Kleid zu zupfen. »Lass uns erst mit diesem Aurelius reden. Sobald ich weiß, was ich wissen muss, werde ich dir alles erklären. Versprochen!«
Finn verzog das Gesicht. Er wirkte alles andere als zufrieden mit dieser Antwort, trotzdem hakte er nicht weiter nach. Vielleicht, weil er keinen neuen Streit mit Amy wollte, oder weil er wusste, dass es bei ihrem Sturkopf keinen Sinn hatte, weiterzudiskutieren. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, hielt sie auch daran fest. Ein wenig gekränkt zog er sich in seine Ecke des Sofas zurück und sprach bis zum Abendessen kein Wort mehr mit ihr.
Amy dankte Finn insgeheim für diese Verschnaufpause. So konnte sie in Ruhe nachgrübeln, was sie Aurelius am Abend fragen wollte. Sie setzte ihre ganze Hoffnung in dieses Treffen. Sie hatten immer noch keinen Plan, wie sie die Verschwörer aufhalten wollten. Darum musste sie Aurelius die richtigen Fragen stellen. Seine Antworten würden ihr vielleicht die Hinweise liefern, die sie so dringend brauchte, um sie alle zu retten. Amy holte tief Luft. Oder sie würde das erfahren, wovor sie sich am meisten fürchtete: dass es nämlich keine Chance mehr auf Rettung gab.
Nach Einbruch der Dämmerung machten sie sich auf den Weg zu der Spukruine.
Um diese Zeit war bei den Docks nicht mehr allzu viel los. Die meisten der Lagerhallen lagen still und dunkel da. Und nur wenige wurden bewacht. Amy und Finn schlugen jedes Mal einen weiten Bogen um die grimmig dreinblickenden Männer. Zurzeit mussten sie besonders vorsichtig sein. Jeder konnte für die Verschwörer arbeiten. Vielleicht hatte Lucia mittlerweile sogar eine Belohnung auf ihre Köpfe ausgesetzt. Und wer weiß, ob ihr überhaupt noch etwas daran lag, sie lebend in die Finger zu bekommen. Nun, da sie wusste, dass sie mit Cornelius befreundet waren, mussten sie in ihren Augen noch gefährlicher geworden sein. Vor allem, weil Amy und Finn ihre größte Schwäche kannten: ihre Unfähigkeit, einen Menschen zu verletzen. Nie und nimmer würde sie es riskieren wollen, dass Amy und Finn während der Krönung auftauchten und ihr damit einen Strich durch ihre Rachepläne machten.
»Immer schön die Augen offen halten«, raunte Amy Finn zu.
»Das sagst du mir jetzt schon zum sechsten oder siebten Mal, seitdem wir aufgebrochen sind«, murmelte er mürrisch.
»Wir können nicht vorsichtig genug sein!«
»Ja,ja …«
Gerade waren sie in den Schatten eines zweistöckigen Kontors eingetaucht, in dem die Kaufleute am Tage über die frisch eingeschifften Waren verhandelten, als Finn ein letztes Mal versuchte, Amy umzustimmen: »Komm schon, selbst Mr Burbridge wollte nicht, dass wir diesen Aurelius aufsuchen. Und auch ich sage dir, jemand, der in einer Spukruine wohnt, mit dem kann was nicht stimmen.«
Amy drehte sich zu ihm um und hielt ihm ihren Zeigefinger dicht unter die Nase. »Noch ein Wort zu diesem Thema und ich lasse dich hier zurück.«
»Pah, was für ein Blödsinn«, schimpfte Finn und funkelte sie an. »Wie willst du denn alleine hinfinden? Ohne meine Hilfe wirst du dich doch nur verlaufen.«
Amy schob trotzig die Unterlippe vor, dabei wusste sie nur zu gut, dass Finn recht hatte. Diese Gegend war ihr zu wenig vertraut, als dass sie den Weg ohne ihn finden konnte. »Und was hast du jetzt vor? Willst du dich weigern, mich hinzubringen?«
Eine Pause entstand.
»Nein, natürlich nicht«, sagte Finn lahm. »Das würde ich nie tun, das weißt du genau. Ich hatte nur gehofft, dass du … Ach, vergiss es. Wir sollten rasch weitergehen. Wir werden noch eine Weile unterwegs sein.«
Er drehte sich um und wollte losmarschieren, als Amy ihm die Hand auf die Schulter legte. »Danke.«
»Du sollst trotzdem wissen,
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