Der 18 Schluessel
Zigarette, als wäre es seine Letzte. „Ich bin ein Wrack, das siehst du doch, oder?“
Eliana hatte vergessen, wie ironisch Lukas nach seinem Psychiatrieaufenthalt geworden war. Das war einer der Züge, die sie am wenigsten erträglich an ihm fand. Lukas schien sich in seinem eigenen Niedergang zu suhlen und ihn zu einer Kunst zu stilisieren. Die Leiden des jungen Lukas, der Untergang des Hauses Lukas oder Die sieben Höllen des Lukas.
„Du könntest dagegen ankämpfen.“ Sie nickte in Richtung der bemalten Wände. „Was sind das für komische Zeichnungen und Zeichen an den Wänden? Wie kannst du nur in dieser Bude leben?“ Eliana schüttelte angewidert den Kopf.
Lukas grinste und entblößte nikotingelbe Zähne. „Wenn die Welt schon für den Arsch ist, braucht es keine Eitelkeit mehr.“ Er wies auf die Pentagrammzeichen an den Wänden. „Schutzzeichen, damit die Reiter der Apokalypse mich nicht finden, wenn es soweit ist und sie kommen, um die Vernichtung der Welt einzuleiten. Bald wird der Engel das Tier entfesseln, wie Johannes es offenbart hat. Zuerst die Reiter, dann die Siegel, die Posaunen, aus denen die Plagen hervorgehen ... dann erscheint das Tier.“
Eliana bereute es endgültig, gekommen zu sein. Lukas war vollends durchgedreht. „Ach, Lukas ...“
Der mitleidige Tonfall ihrer Stimme war ihm nicht entgangen. Er fixierte sie mit seinem Blick, als wäre sie der Teufel persönlich, der gekommen war, ihn zu holen. „Warum bist du hier, Eliana? Bestimmt nicht, weil du vergangenen Zeiten nachtrauerst oder einen neuen Ausweis brauchst.“
Elianas Blick fiel auf einen Tisch, auf dem ein paar Passfotos, ein Skalpell und verschiedene Bankkarten lagen. Es war der einzig einigermaßen aufgeräumte Ort in dieser Wohnung. So hielt er sich also über Wasser. Als Kleinkrimineller, Dieb und Dokumentenfälscher. Lukas war tatsächlich am Ende der sozialen Abstiegsleiter angekommen. Es schien ihn nicht weiter zu stören. „Du hast ein ganzes Jahr lang nichts von dir hören lassen, also musst du einen guten Grund haben, den Irren zu besuchen.“
Sollte sie lügen? Kurz war Eliana versucht es zu tun, doch es wäre mehr als feige gewesen. Alles an Lukas, alles in dieser Wohnung machte ihr unmissverständlich klar, dass sie nicht wiederkommen würde. Eliana beschloss, so nah an der Wahrheit zu bleiben, wie es eben ging, und zog den zusammengefalteten Zettel mit Danyals Zeichenschrift aus ihrer Rocktasche. „Ich wollte dich fragen, ob du weißt, was das ist.“
Als hätte Lukas bereits darauf gewartet, dass sie ihm ein Rätsel aufgab, nahm er ihr den Zettel aus der Hand, faltete ihn auseinander und überflog die Zeilen. Er runzelte kurz die Stirn, dann faltete er den Zettel wieder zusammen. „Wer hat das geschrieben?“
„Ein Bekannter.“
Ein böses Grinsen legte sich um Lukas blutleere Lippen. „Verarsch mich nicht, Eliana. Das hier schreibt man nicht einfach aus Langeweile auf einen Zettel.“
„Wieso?“, rief sie aufgebracht. „Was ist denn daran so Besonderes?“
„Zuerst will ich Antworten von dir, Frau Psychologin. Komm schon Eliana, das könnt ihr Psychoanalytiker doch so wunderbar ... Menschen in Schubladen stecken und sie für verrückt erklären“, stichelte Lukas und wedelte mit dem Papier vor ihrer Nase herum.
„Ich habe das Studium abgebrochen, das weißt du doch.“
Er gab sich unbeeindruckt. „Aber du kannst es noch, Eliana, das weiß ich.“
Sie gab sich geschlagen. Lukas mochte irre sein, aber blöd war er deshalb nicht. Und sie wollte wissen, was dort auf dem Zettel stand und wer Danyal war. „Also gut. Ich kenne ihn erst seit drei Tagen. Er ist seltsam, hat am Anfang nur Latein gesprochen und scheint irgendwie anders zu sein. Er spricht mit Gabriel, zumindest behauptet er das. Er hatte Wunden auf den Schulterblättern, und auf einmal waren sie von einer Minute auf die andere verheilt. Und ich werde ihn einfach nicht los … ich meine, ich schaffe es nicht, ihn auf die Straße zu setzen.“ Eliana kniff die Augen zusammen und flüsterte, als würde sie jemand belauschen. „Wer würde mir das glauben?“
„Niemand, außer einem, den ohnehin die ganze Welt für irre hält“, gab er trocken zurück, dann beugte er sich vor, sodass sie sich Auge in Auge ins Gesicht sahen. Der süßliche Friedhofsgeruch stieg Eliana in die Nase, und auf einmal wurde ihr klar, dass es Patchouli sein musste – eine Duftölmischung, die in Indien zum Balsamieren von Toten benutzt wurde und
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