Der 18 Schluessel
ließen. Ich lehnte ab was sie taten, und ich zog mich von Satanael trotz meiner heimlichen Sehnsucht nach ihm und meinesgleichen zurück. Glücklicherweise versuchte er nicht noch einmal, mich für sich zu entflammen. Ich fürchtete, dass es ihm gelingen könnte, obwohl ich alles was er tat, verachtete.
Sem, obwohl nur ein einfacher Mann, war klüger als ich, aber Satanael erkannte ganz richtig, dass meine Bindung zu Sem eine meiner Schwachstellen war. Eines Abends, als Helel und Satanael in der Arena kämpften und ich von einer Kampfunterweisung in unsere Zelle zurückkehrte, fand ich Sem mit den aufgerollten Papyrusblättern auf meiner Liege sitzend. Es war ihm nicht unangenehm, dass ich ihn dabei sah, und ich wunderte mich, da er bisher niemals Interesse an den Seiten gezeigt hatte. Ganz davon abgesehen, dass Sem weder Lesen noch Schreiben konnte, waren die Seiten mit Zeichen unserer eigenen Sprache beschrieben, die kein Mensch lesen konnte. Trotzdem starrte Sem die Seiten an, als hinge sein Leben von ihnen ab. „Satanael sagt, dass du mich für diese Papyrusrollen mit den seltsamen Zeichen verraten würdest.“ Seine Stimme war ruhig, und in seinen Augen erkannte ich erstmals Fragen. Ich schüttelte sofort den Kopf, denn Sems Unwissenheit konnte nun zu einer Gefahr werden.. „Hast du ihm gezeigt, wo ich die Seiten verstecke?“
Geistesabwesend schüttelte Sem den Kopf. „Nein, ich habe so getan, als wüsste ich gar nichts von diesen Papyri ... aber sag mir, was steht dort so Wichtiges geschrieben, dass du mich dafür verraten würdest?“
Was sollte ich ihm nur antworten. „Es ist zu früh, ihren Inhalt zu offenbaren, Sem. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Bitte glaube mir.“
Er nickte, bohrte nicht weiter nach, doch ich konnte die Enttäuschung darüber in seinem Gesicht lesen, dass ich ihm nicht vertraute. Schließlich seufzte er und gab mir die Seiten zurück, sodass ich sie wieder in ihr Versteck legen konnte. Sem beobachtete mich dabei. „Er wartet auf dich, Danilo. Er wartet nur auf den richtigen Augenblick.“
Ich legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. Wieder glaubte ich ihm nicht, und wieder war es ein Fehler, es nicht zu tun.
Am nächsten Tag kam Marcus, um auch uns in die Arena zu bringen.
Marcus half Sem und mir, unsere Rüstungen anzulegen, mir die Schwere des Thrakers und Sem die Leichte des Retiariers. Meine Beinschienen, der geschlossene Helm und der gepanzerte Schwertarm würden mir wenig Bewegungsfreiheit lassen, dafür jedoch meine Unversehrtheit sichern – als ob das wichtig gewesen wäre. Doch die Menschen mussten glauben, dass es wichtig wäre. Lieber hätte ich Sem in solch schwerer Rüstung gewusst, doch seinem weniger muskulösem Körperbau entsprechend, trug er nur leichten Arm- und Schulterschutz und zur Verteidigung einen Dreizack und ein Netz.
„Gegen wen werden wir kämpfen?“, fragte ich Marcus, während er uns mit drei anderen Unglücklichen, die für den Tag als Kämpfer ausgewählt worden waren, über die Straße, hinüber zum Amphitheatrum Flavium führte. Er antwortete, ohne uns anzusehen. „Gegen die alle im Augenblick antreten müssen.“ Dann schenkte er uns einen Blick, und ich meinte, dass Mitgefühl oder Bedauern darin lag. „Zu anderen Zeiten hättet ihr gute Kämpfer werden können, doch ihr seid zur falschen Zeit nach Rom gekommen. Die Stadt frisst ihre eigenen Kinder!“
Wir wurden den Zuschauern vorgestellt, mussten eine Ehrenrunde in der Arena laufen, und kehrten dann zurück in eine Zelle in den Katakomben. Dort mussten wir warten, zwischen beißendem Raubtiergestank, Ausdünstungen menschlicher Körper, blutiger und brandiger Wunden und dem unverkennbaren Gestank nach Angst, den die Menschen ausströmen. Sem schwieg und starrte die Wände unserer Zelle an, welche wir mit acht anderen Kämpfern teilten. Er hatte die größte Angst von allen, und obwohl ich die Gefühle der Menschen nicht teilen konnte, verstand ich doch die Tiefe seiner Furcht.
Sem und ich wurden als letzte geholt, als alle anderen bereits tot oder verletzt waren.
Marcus führte uns die Katakombengänge entlang, hinauf zur Porta Sanavivaria , dem Tor des Lebens, durch das die Kämpfer die Arena betraten und auch wieder verließen, wenn sie überlebten. Die Porta Libitinaria , das Tor der Venus, war den Unglücksseligen vorbehalten, die in der Arena ihr Leben ließen. Je näher wir dem Tor kamen, desto lauter drangen die gierigen Rufe der Zuschauer an unsere Ohren:
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