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Der 18 Schluessel

Der 18 Schluessel

Titel: Der 18 Schluessel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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glücklichen Jahre mit einer sterblichen Frau, die mir monströse Nachkommenschaft gebar? Oder hätte ich Hannah einfach verführen sollen und dann verschwinden? Ich war auch nicht wie Satanael. Ich war gekommen, um sie zu beschützen, und genau das tat ich, indem ich ihr die Ehe mit Savelad ermöglichte. Ich liebte sie wie meinesgleichen einen Menschen lieben konnte, ich begehrte sie, wie meine Art eine Frau begehren konnte, aber beides war etwas anderes, als das, was Hannah sich von mir erhoffte. Ich war ein Wesen, das von Liebe erfüllt war, aber von allumfassender Liebe – ich verstand nichts von der ausschließlichen Liebe der Menschen, die sie nur mit wenigen oder einem einzigen Menschen teilten. Nein, ich hatte richtig entschieden, und das sagte ich Grethe. „Savelad wird Hannah ein guter Mann sein.“
    Grethe nahm den Eimer wieder auf und zuckte dann mit den Schultern. Sie spürte, dass sie von mir keine Antwort auf ihre Fragen erhalten würde. „Es ist ohnehin zu spät, noch etwas zu ändern. Heute Abend geht Hannah zur Reinigung in die Mikwe, und morgen wird sie Savelad anvermählt.“
    „So soll es sein“, antwortete ich und verabschiedete mich von Grethe, um zu meinem Haus zu gehen, in dem ich allein, nur mit meiner Magd und einem Knecht wohnte. Ich wollte den Nachmittag nachdenken und etwas ruhen. Ich schlief nicht, aber ich hing gerne meinen Gedanken nach.
    Esther, meine Magd, nahm mir Hut und Mantel ab, als ich über meine eigene Türschwelle trat. „Wecke mich für den Gottesdienst“, wies ich sie an und ging die schmale Stiege bis in meine Bettkammer hinauf. Dort wusch ich mir das Gesicht im viel zu warmen Wasser der bereitstehenden Schüssel. Ich warf einen Blick auf die letzten noch leeren Pergamentseiten, sagte mir aber, dass es nun keiner zu großen Eile mehr bedurfte. Danach legte ich mich auf mein Bett und schloss die Augen.
     
    Esther klopfte an meine Tür und erinnerte mich daran, dass es Zeit wäre, mich für den Gottesdienst anzukleiden. Ich fragte sie, ob Hannah sich meinen Wünschen widersetzt und das Viertel verlassen hatte, doch Esther verneinte. „Hannah hat den Nachmittag im Haus des Rabbis verbracht, Herr. Jetzt ist sie mit den Frauen in der Mikwe, um sich zu reinigen. Aber sie lassen ausrichten, dass sie dich in der Synagoge brauchen, Herr, weil sonst nicht genügend Männer für einen Gottesdienst zugegen sind.“
    Ich schickte Esther nach meiner Betkleidung und bewunderte einmal mehr die kleine Gemeinde für ihren unerschütterlichen Glauben. Obwohl schon so viele gestorben waren, so viele krank, und man aus den anderen Städten von Gräueltaten an Juden hörte, hielt diese Gemeinde zusammen und ließ sich nicht vertreiben.
    Esther half mir, Tallit und Kippa anzulegen, dann verließ ich mein Haus. Die Sonne war noch nicht untergegangen, und doch waren die engen Gassen unseres Viertels wie ausgekehrt. Die Familien, die es noch konnten und keine Toten betrauern oder Kranken pflegen mussten, hatten sich zurückgezogen, um den Sabbat zu begehen. Es war ein trügerischer Frieden. Zwischen den Mauern der Fachwerkhäuser hingen die fauligen Gerüche der Verwesung, die durch jeden Windhauch über die Umfassungsmauer des Judenviertels getragen wurden. Auch wenn es bei uns noch gesittet und ruhig zuging – es war nicht überall in Coellen so.
    „Schabbat Schalom“, vernahm ich eine raue Stimme neben mir, fuhr aus meinen Gedanken auf und sah mich um. Da packte mich eine grobe Hand und zog mich in eine der Gassen, ehe ich überhaupt wusste, wie mir geschah.
    Fauliger Atem schlug mir ins Gesicht, ein Lachen, das mehr Drohung als Freundlichkeit enthielt. Ich hätte es unter Tausenden wiedererkannt und ebenso den Hünen, der mich wie eine Schmeißfliege an die Mauer drückte. „Daniel ... oder sollte ich dich vielleicht lieber Danilo nennen ... du kennst mich noch? Es ist lange her.“
    „Dich zu vergessen, ist nicht einfach, Helel! Unsere Begegnung in Rom war einprägsam.“
    Er ließ mich los, sodass ich ihn richtig ansehen konnte. Er hatte sich wenig verändert seit damals. Helels strähnige Haare fielen ihm lang über die Schultern, und er trug ein auffällig mit roten Stoffstreifen benähtes Hemd über groben Beinlingen mit Stiefeln. Die Kleidung des Henkers, und so wusste ich, dass auch Helel einen ihm zusagenden Platz in Coellen gefunden hatte. Er grinste voller Verachtung. „Ich habe dich schon seit einer ganzen Weile beobachtet und zugesehen, wie du dich hier bei den

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