Der 18 Schluessel
gelaufen, und die Domaufsicht hat es gesehen. Vielleicht wollte er wissen, wie es dem Unfallopfer geht.“
„Na klar, und der Weihnachtsmann ist mir im Kamin erschienen“, gab Kerstin schnippisch zurück und wandte sich beleidigt ab. Eliana hatte ein ungutes Gefühl. Hatte der Domwächter etwas damit zu tun ... und woher kannte der Priester ihren Namen und wusste, dass sie hier arbeitete?
Kerstin ging ihr den gesamten Tag aus dem Weg. Eliana war es recht. Sie hatte andere Probleme. Auch Henning verfolgte sie den Rest des Tages mit Blicken, die Eliana glauben ließen, sie hätte ihn hinterhältig betrogen. Am liebsten wäre sie wie eine Maus zwischen den Regalen verschwunden. Der Tag zog sich zu allem Überfluss hin.
Da sie als Letzte gekommen war, musste sie auch als Letzte gehen und ihrer Chefin beim Zusammenstellen der Listen für den Belletristikbereich helfen. Frau Berns erkundigte sich nebenbei nach dem Befinden Gabriels, und Eliana zwang sich zu einer ausführlichen Beschreibung von Gabriels langsam wiederkehrendem Appetit. Dann endlich war sie entlassen und durfte gehen.
Es war schon dunkel, und sie wollte schnell nach Hause. Frau Berns hatte sie ziemlich lange aufgehalten. Gehetzt sah sie sich um und rechnete bei jedem Schulterblick damit, irgendwo den Naphil zu entdecken. Erleichtert stellte sie fest, dass sie ihn nirgendwo ausmachen konnte. Als sie am Domcafé vorbei lief, sah sie am Fenster stattdessen einen Priester mit Soutane und Seitenscheitel bei einer Tasse Kaffee sitzen. Unvermittelt blieb sie stehen. War das ein Zufall? Sie hatte ihn anscheinend zu lange angestarrt – auch er hatte sie entdeckt. Unverzüglich stand er auf und rannte fast zur Tür des Cafés. Ein wenig zu sportlich für einen Mann Gottes, wie Eliana fand.Sie begann zu laufen, kleine Atemwölkchen bildeten sich vor ihrem Mund, während sie quer durch die sich drängenden Menschen auf dem Weihnachtsmarkt floh. Immer wieder stieß sie mit Männern und Frauen zusammen, die ihr den Weg versperrten, weil sie sich wie Trauben um die Glühweinstände postiert hatten. Eliana hatte das quälende Gefühl, viel zu langsam voranzukommen. Panik erfasste sie, und ihr Verfolger kam immer näher.
„Pass doch auf, wohin du läufst, Mädchen!“ Ein älterer Mann schüttelte den Kopf, als Eliana ihn beinahe umgerannt hätte und er seinen Glühwein verschüttete. Sie rief ihm eine Entschuldigung zu, während sie weiter lief, und hielt Ausschau nach dem Priester. Da war er, keine hundert Schritte entfernt. Und für einen Priester war er ziemlich schnell zu Fuß! Eliana entschloss sich zum Gegenangriff. Wild gestikulierend schrie sie der Verkäuferin des Gewürzstandes zu: „Der Priester ... er verfolgt mich! Sie müssen die Polizei rufen!“ Die Frau glotzte ihr verständnislos hinterher, und Eliana konnte in ihren Augen sehen, dass die Verkäuferin sie für verrückt hielt.
„Zu viel Glühwein mit Schuss, was?“, rief eine Gruppe Teenager hinter ihr, und Eliana erkannte voller Entsetzen, dass man ihr nicht glaubte. Er ist Priester! Sie würden ihm glauben! Eliana kämpfte gegen die lähmende Angst und rannte weiter, während seine Schritte hinter ihr immer näher kamen. Endlich tauchte sie aus dem Wust des Markes auf und konnte etwas Vorsprung gewinnen. Sie bog atemlos um eine Ecke, dann direkt um die Nächste und lief die Auffahrt zu einer Tiefgarage hinunter, deren Gittertor offen stand. Ihre Schritte hallten ihr in den Ohren, während sie durch eine Pfütze lief und sich in der nach Abgasen stinkenden Halle hinter einen dunkelblauen Volvo kauerte. Ihr Atem ging keuchend, und sie fürchtete, er würde sie verraten. Das schummrige Neonlicht der Tiefgarage tauchte den Betonboden in kaltes Licht, und dann vernahm Eliana die Schritte des Priesters auf der Auffahrt. Er wusste, dass sie hier irgendwo war! Ihr Blick ging unter dem Volvo hindurch, und ein heftiger Adrenalinstoß durchfuhr sie. Die Pfütze! Auf dem Boden waren ihre Fußspuren, und die führten direkt zu „ihrem“ Volvo!
Die schwarzen Schuhe des Priesters und der Saum seiner Soutane erschienen in ihrem Blickfeld. Er blieb stehen und sah sich um. Sein Atem ging ruhig, als wäre er nicht die ganze Zeit hinter ihr hergelaufen. Wie konnte ein Mensch nach dieser Jagd nicht außer Atem sein! Als er sich drehte, schlug die Soutane kurz zur Seite und Eliana fiel eine Tätowierung oberhalb seines Fußknöchels auf. Sie erhaschte nur einen kurzen Blick darauf, erkannte aber ein in vier
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