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Der 18 Schluessel

Der 18 Schluessel

Titel: Der 18 Schluessel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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das Gleiche zu tun – vor allem, um sich wach zu halten. Die Zeit verging einfach nicht. Tick Tack ... Die Uhr an der Wand wurde zu ihrem Feind.
    Eine Mitstudentin, die eine Reihe hinter ihr saß, tippte Eliana auf die Schulter und rettete sie unbewusst davor, endgültig einzuschlafen. Eliana wandte sich zu ihr um. Die Frau war ebenso konservativ gekleidet wie sie, aber ihr Lächeln war offen. Endlich einmal ein freundlicher Mensch an dieser Universität! Eliana lächelte prophylaktisch zurück.
    „Mein Name ist Felice ... Felice Casini. Du kommst aus Deutschland, oder?“
    „Ja ... Christine Eckert“, antwortete Eliana überrascht und reichte der anderen die Hand. Felice besaß zwar einen unverkennbar italienischen Akzent, sprach aber ansonsten sehr gutes Deutsch. Felice bemerkte ihre Überraschung. „Ich habe zwei Jahre meiner Apostolatszeit in Deutschland verbracht. Wenn du willst, können wir nachher zusammen in der Mensa essen.“
    „Gerne!“ Und ob sie das wollte. Es waren zwar noch einige zähe Stunden bis zur Pause, doch irgendwann war auch der letzte Fötus über die weiße Projektionsfläche an der Wand geflimmert.
    „Das war hart“, kommentierte Felice den Vortrag und Eliana stimmte ihr zu, wobei sie davon ausging, dass Felice den monotonen Vortrag des Seminarleiters meinte. Doch noch ehe Eliana in ein Fettnäpfchen treten konnte, fügte Felice hinzu: „Dass diese Frauen nicht erkennen können, wie sehr sie sich versündigen.“
    Felice war eine große Frau, schlank, mit dunklen Augen und einem typisch italienisch markanten Gesicht. Eliana schätzte, dass sie etwa in ihrem Alter sein musste – Mitte Zwanzig. Auf jeden Fall fiel sie in Begleitung von Felice nicht mehr auf in ihrem konservativen Fünfziger Jahre Wirtschaftsschulen Look. Trotzdem strahlte diese Frau mit jeder Faser ihres Körpers enormes Selbstbewusstsein aus. Felice, so spürte Eliana, trug Faltenrock und Pullunder wie eine Uniform.
    Mit ihren Tabletts setzten sie sich in der überfüllten Mensa an einen Tisch zu drei anderen Frauen, die sie freundlich begrüßten. Es gab sie also – die konservative Fraktion – bemerkte Eliana für sich.
    Felice stellte ihr die drei anderen Studentinnen als Catalina, Sandrine und Mary vor.
    „Wir sind international hier ... haben aber dieselbe Mission“, erklärte Mary auf Englisch mit britischem Akzent. Eliana begrüßte alle drei so freundlich sie konnte. „Ich bin Christine Eckert aus Deutschland ... Bonn, um genau zu sein.“
    „Dann sind wir jetzt multikulturell ... Felice kommt aus Rom, Catalina aus Spanien, Sandrine aus Frankreich, ich bin aus London ... und jetzt haben wir auch noch Deutschland in unserer Runde.“ Sie lachten, und Eliana stimmte mit ein, während sie gedankenlos nach ihrer Gabel griff. Mit hochgezogenen Brauen sah Felice sie an. „Betest du nicht vor dem Essen?“
    Daran hätte sie denken müssen. Jetzt war es zu spät für Ausreden. „Manchmal ...“, gab sie entschuldigend zu und legte die Gabel zurück auf ihr Tablett.
    „Betet ihr denn in Deutschland in eurem Apostolatszentrum nicht den Engel des Herrn vor dem Mittagessen?“ Mary konnte es kaum fassen.
    Jetzt war es Zeit, sich eine sehr gute Antwort zu überlegen. Eliana hoffte, dass ihre Stimmung nicht vor Aufregung zitterte. „Ich komme aus keinem Apostolat. Ich bin alleine hier. Ich ... na ja, ich überlege, ein Jahr als Missionarshelfer bei Milizia Dei nach dem Bioethikseminar zu absolvieren. Mein Studium der Germanistik in Bonn habe ich unterbrochen ... nicht gerade etwas, womit ich normalerweise hausieren gehe.“
    Wider Erwarten ging ein verständnisvolles Nicken durch die Reihen des Frauenclubs. Felice legte ihr fürsorglich die Hand auf die Schulter. „Kein Grund, dich zu schämen, Christine. Wir alle haben einmal gesucht. Wir alle standen einmal vor einem Haufen Zweifel. Aber sofort, als ich dich sah, hatte ich das Gefühl, dass du zur Gott befohlenen Frau berufen sein könntest. Vielleicht musstest du deshalb dein Studium in Deutschland abbrechen und hierher kommen. Die Wege zu Gott verlaufen nicht immer geradlinig.“
    Eliana sah Felice in die Augen und versuchte, darin zu lesen. Da war etwas, was ihr bisher nicht aufgefallen war. Diese braunen Augen hatten etwas Fanatisches – etwas Stures! Auf einmal fühlte Eliana sich unwohl in ihrer Gegenwart, ließ es sich jedoch nicht anmerken. Ist es nicht genau das, wonach du gesucht hast, Eliana? Sie rang sich ein hoffnungsvolles und offenes

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