Der 18 Schluessel
einer Weile hielt Chris an einem in modernem Stil errichteten Haus, das nicht so recht ins Gesamtbild des Stadtteils passen wollte, und lenkte den Wagen hinunter in eine zum Haus gehörende Tiefgarage. Dort erwarteten sie bereits zwei junge Männer in dunklen Anzügen, die Chris auf Italienisch begrüßten.
„Wir müssen nur durch die Tiefgarage in den Aufzug“, wandte er sich an Eliana. Die beiden Männer gingen vor ihnen her wie Bodyguards. Ich dachte immer, in magischen Geheimbünden treiben sich vor allem gelangweilte alte Männer mit viel Geld herum, ging es Eliana fast ein wenig undankbar durch den Kopf. Immerhin hatte der Orden sozusagen ihr Leben gerettet ... und das von Danyal. Sie stieß Chris in die Seite und flüsterte: „Ein seltsamer Ort für den Tempel eines Geheimbundes.“ Für Eliana war der Begriff Tempel noch immer ein Synonym für Kirche – und das war für sie wiederum ein Gebäude, das ganz offensichtlich als Gotteshaus erkennbar war.
Die beiden jungen Italiener schoben das Gitter eines Lastenaufzugs hoch und winkten sie hinein. Chris ließ Eliana und Danyal vorgehen, ehe er antwortete.
„Die Betonung liegt auf geheim! Trastevere ist ein multikultureller Stadtteil, der Künstler und Exzentriker anzieht. Hier fällt es kaum auf, wenn viele verschiedene Nationalitäten ein- und ausgehen.“
Das wiederum leuchtete Eliana ein. Der Lastenaufzug fuhr von der Tiefgarage hinauf in einen weiträumigen Loft. Eliana sah sich irritiert um, während sie hinter Chris herlief. Zwei weitere Bodyguards in Anzügen nahmen sie in ihre Mitte, während die anderen wieder nach unten fuhren. Brauchte man hier Begleitschutz? Eliana ließ sich ihre Verwunderung nicht anmerken. Mittig im Raum stand eine rote Designercouch aus Leder im Kontrast zu alten Meistern an der Wand, von denen Eliana überlegte, ob sie echt waren oder nur teure Kopien. Der Boden war aus weißem Marmor, antike Statuen in Lebensgröße von nackten Athleten oder Göttinnen blickten von einer Galerie, die den Loft fast vollständig umlief, auf sie hinab. An der rechten Wandseite gab es ein etwa acht Meter langes und drei Meter hohes Aquarium, in dem zwischen bunten Korallen Clownfische, Seepferdchen und sogar eine Fleckenmuräne schwammen – Meerwasseraquarien dieser Größe waren der pure Luxus, die Versicherung dafür ebenfalls. Aber etwas fehlte. Eliana vermisste Symbole des Geheimbundes, wie sie in Lukas Buch aufgeführt gewesen waren - das mehrfarbige Rosenkreuz, astrologische Symbole ... vor allem ägyptische. Der Golden Dawn hatte mystische Symbole aus so ziemlich jedem Kulturkreis und jeder Epoche miteinander vermischt und bediente sich verschiedener magischer Rituale wie dem Schamanismus, der Kabbala oder eben auch der Schlüssel. In einem Tempel oder geheimen Zentrum des Ordens – war es da nicht selbstverständlich, dass man sich mit den Dingen umgab, denen man sich verbunden fühlte? Dieses Loft sah mehr aus wie eine teuer eingerichtete Designerwohnung, als wie der Tempel eines magischen Geheimbundes.
„Don Abele ... ich bringe den Engel.“ Auf Chris Ruf kam ein beleibter Mann hinter einer hohen Bücherwand hervor, die als Raumteiler diente. Sein ebenfalls dunkler Anzug war, wie Eliana mutmaßte, maßgeschneidert, – ansonsten hätte er nicht so perfekt um den üppigen Bauch des Mannes gepasst. Seine Haare hatte er mit Pomade zurückgekämmt, sein Gesicht glänzte wie eine Speckschwarte. In seinem Arm hielt er ein viel zu junges Mädchen im kurzen Lackminirock und einem Top, das mehr Busen offenbarte, als es verbarg. Eliana meinte, dass das Mädchen kaum älter als Achtzehn sein konnte. Dafür sprach auch, dass es wenig damenhaft auf einem Kaugummi herumkaute. Die Hand des Onkels lag unverhohlen auf ihrem Hintern. Der gesamte Mann wirkte nicht ungepflegt aber irgendwie ölig.
„Christopher ...“, er sprach Englisch mit italienischem Akzent. „Pünktlich, obwohl ich mir Sorgen gemacht habe.“ Er versetzte dem Mädchen einen Klaps auf den Hintern, woraufhin das Kindermodel auf seinen High Heels davon stakste, eskortiert von den zwei Bodyguards. Dann fasste Don Abele Chris bei den Schultern und sie umarmten sich herzlich.
Eliana fand diesen Ort immer seltsamer. Was ging hier eigentlich vor? Dieser Don Abele machte nicht den Eindruck eines spirituell interessierten Ordensmeisters – eher eines Mannes, der sich weltlichen Dingen widmete. Er ging grinsend auf Danyal zu und legte auch ihm die Hände auf die Schultern.
Weitere Kostenlose Bücher