Der 21. Juli
mit dem neuen Chef der Luftwaffe, Generalfeldmarschall Milch, sprechen. Und für den Abend hatte er sich mit Irma im Café Kranzler verabredet. Er wusste noch nicht, wie er ihr seine Gefühle gestehen sollte, aber er würde es tun. Immerhin, sie hatte der Verabredung zugestimmt. Zacher war zuversichtlich, dann wieder ängstlich, er malte sich aus, wie es sein würde, Irma in den Armen zu halten.
Milch war eine imposante Erscheinung. Nicht wegen körperlicher Vorzüge, sondern weil Zacher seinen Ruf als Fachmann kannte. Seit Göring Reichspräsident war, ging es mit der Luftwaffe langsam aufwärts. Die Verluste der alliierten Bomber häuften sich, neue Abwehrstrategien, die revolutionären Fla-Raketen und die neuen Messerschmitt-Strahljäger hatten an manchen Tagen und Nächten bis zu dreißig Prozent der Bomber zerstört oder beschädigt. Viele Bomben trafen ihre Ziele nicht, weil die Bomberpiloten dem Beschuss von Raketen und
Jägern auswichen. Auch wenn die Bomber nach England zurückkehrten, hetzte Milch seine Jäger auf sie. Aber die Alliierten waren zäh, sie kamen immer wieder. Als könnten sie unendlich viele Flugzeuge bauen und unendlich viele Piloten ausbilden.
Zacher hatte einige Luftkämpfe mit seiner Me 262 bestanden. Sie hatten die technischen Fehler gefunden und beseitigt. Seitdem fühlte er sich am Himmel jedem anderen überlegen. Es befriedigte ihn, die gepanzerten grauen Flugkolosse abzuschießen, kannte er doch die Verwüstungen, die sie anrichteten. Das Bild verkohlter Frauen, Kinder, alter Männer hatte in ihm den Zorn entzündet. Er lebte ihn aus, wenn er sich tagsüber auf die feindlichen Flieger stürzte. Angst hatte er nur beim Start, er verlor sie im Gewühl am Himmel, wo seine Reflexe die Steuerung übernahmen. Näherte er sich einem Bomberpulk, wurde Zacher eiskalt.
»Sie haben gut gekämpft, Hauptmann«, sagte Milch. »Demnächst kriegen Sie das EK I. Eingereicht sind Sie schon. Hätten wir nur mehr Piloten wie Sie und mehr von diesen Wunderjägern. Aber seit dieser V-Waffen-Schwachsinn aufgehört hat, geht es mit unserer Luftwaffe wieder voran. Und doch verlieren wir unsere besten Piloten, die erfahrensten. Wir können sie nicht gleichwertig ersetzen. Und die anderen haben mehr Piloten und mehr Flugzeuge. Die haben verdammt schnell gelernt.«
Zacher fragte sich, was Milch von ihm wollte. Er freute sich über das Lob, aber deshalb war er nicht zu Milch befohlen worden. »Jawohl, Herr Generalfeldmarschall«, sagte Zacher. Er fühlte, Milch erwartete, dass er etwas sagte.
Der Luftwaffenchef schaute ihn fragend an. »Sie sind bisher die FW 190 geflogen, auch die Me 109 und 110 und jetzt die 262. Haben Sie schon mal in einer He 111 gesessen?«
»Ja«, sagte Zacher. Er war verblüfft. Die Heinkel war ein zweimotoriger Bomber, der nicht mehr gebaut wurde. Zuverlässig, aber zu langsam. In manchen Luftwaffenstützpunkten standen die schweren Maschinen noch herum, sie wurden selten eingesetzt. Zacher hatte während der Ausbildung kurze Zeit eine He 111 geflogen.
»Trauen Sie sich zu, den alten Vogel sicher irgendwohin zu fliegen? Mit ein bisschen Übung, versteht sich.«
»Jawohl, Herr Generalfeldmarschall.«
»Wir hatten eigentlich vor, Sie in eine He 177 zu setzen. Eine haben wir sogar schon für unsere Zwecke umbauen lassen. Aber die Dinger sind zu anfällig. Wir verlieren fast mehr Maschinen durch irgendwelche blödsinnigen Konstruktionsfehler als durch Feindeinwirkung. Das ist verflucht ärgerlich, die 177 wäre das richtige Flugzeug gewesen, auf dem Papier, aber eben nur auf dem Papier. Wir werden Ihnen eine ganz besondere He 111 zusammenzimmern. Sie kriegt neue Motoren, stärker und noch zuverlässiger. Wir werden sie besser bewaffnen. Und wir werden ihr einen Schlepphaken anbauen.«
»Einen Schlepphaken?« Zacher hatte Angst, ihm würde der Mund offen stehen bleiben.
Milch grinste, er freute sich offenbar über die Überraschung seines Gegenübers. »Ja, wir verwandeln die gute alte Heinkel in einen Luftschlepper. An die hängen wir eine Art Lastensegler dran, der ist allerdings gut elf Tonnen schwer. Den müssen Sie ein paar hundert Kilometer durch die Luft ziehen und über einem bestimmten Gebiet ausklinken.«
»Darf ich eine Frage stellen, Herr Generalfeldmarschall?«
Milch nickte.
»Was trägt der Lastensegler?«
»Eine Bombe. Eine einzige Bombe. Genauer gesagt, bei dem Segler handelt es sich um eine Bombe mit Flügeln.«
Was wollen die mit einer Elftonnenbombe?,
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