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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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fragte sich Zacher. Das knallt einmal riesig, und das war es. Wollen sie Stalin in die Luft sprengen oder Churchill? »Was für eine Bombe ist das?«
    »Eine schwere, Hauptmann. Sie werden in den nächsten Wochen, vielleicht Monaten den Schleppflug üben, dann den Schleppflug in Formation und dann alles in der Nacht. Wir werden Sie nicht allein losschicken, sondern Ihnen einige Staffeln Jäger mitgeben, die besten. Vergeuden Sie keine Zeit, morgen früh werden Sie in Strausberg erwartet, da kennen Sie sich ja aus. Ihr Schlepper wartet schon. Und der Lastensegler auch, mit gut zehn Tonnen Blei im Bauch. Sie sollten bald schon Formationsflug mit den Jägern üben.«
    »Herr Generalfeldmarschall, eine letzte Frage.«
    Milch nickte.
    »Warum gerade ich? Wann geht es los? Was ist das für eine Bombe? Wen oder was soll sie vernichten?«
    »Das waren vier Fragen, Hauptmann. Zur ersten: Sie gehören zu unseren besten Piloten, Sie können sich schnell auf neue Flugzeugtypen einstellen. Wenn wir einen Bomberpiloten, der jahrelang die He 111 geflogen ist, in den Luftschlepper setzen, wird er nervös. Er bildet sich ein, das Flugzeug zu kennen, aber es ist etwas anderes, ein paar Tonnen im Schlepptau über hunderte von Kilometern zu ziehen, ohne die Nerven zu verlieren, als Bomben auf London zu werfen. Deshalb haben wir Sie ausgesucht. Zur zweiten Frage: Keine Ahnung, wann die Bombe fertig ist. Möglich, dass Sie lange üben müssen. Zu den beiden anderen Fragen: Die Antworten erfahren Sie, wenn es so weit ist.«
    Zacher hatte Gummiknie, als er das Luftfahrtministerium verließ. Er ärgerte sich, aus seiner Jagdstaffel versetzt worden zu sein. Er empfand es als Herabsetzung, einen schwerfälligen Lufttrecker fliegen zu müssen. Seine Kameraden würden mitleidig lächeln, wenn er ihnen erzählte, er sei nun Pilot einer He 111. Aber er durfte ihnen nichts davon sagen. Milch hatte ihn zur Geheimhaltung vergattert.
    Er machte sich auf den kurzen Weg von der Wilhelmstraße zum Café Kranzler Unter den Linden, Ecke Friedrichstraße, er würde viel zu früh kommen. Ein kalter Wind ließ ihn frösteln, fahles Licht zog die Farben aus den Menschen. Überall Ruinen, zerrissene Fassaden, mit Pappe verkleidete Fenster. Was Menschen in Jahrhunderten unter Opfern errichtet hatten, zerfiel binnen Minuten zu Stein und Staub. Erst erschütterten die Blockbusters die Fundamente, dann zerlegten Sprengbomben die Gemäuer, schließlich entzündeten Brandbomben alles, was sich entflammen ließ, Holz, Stoffe, Menschen. Eine schweinische Kriegführung, wir haben es den anderen vorgemacht. Es war nicht das erste Mal, dass Schüler ihre Lehrer übertrafen. Krüppel in den Straßen, beinlos, armlos, blind, menschliche Trümmer der stolzen Wehrmacht. Wir hielten uns für unbesiegbar, die besten Soldaten der Welt, die besten Waffen der Welt. Bis zum Winter 1941 vor Moskau. Die ersten Zweifel. Ausreden: General Winter. Die sowjetische Gegenoffensive. Dann im Frühjahr und Sommer die Wiederauferstehung, Siege über Siege, in Russland, in Afrika. Bis zum Winter, bis zu Stalingrad. Als Stalingrad fiel, ahnte Zacher, der Sieg war ihnen aus der Hand geschlagen worden. Im Sommer 1943 das letzte Aufbäumen, die Operation Zitadelle , Panzerschlacht bei Kursk, seitdem ging es rückwärts, nur noch rückwärts. Am Anfang langsam, mit Gegenstößen, dann immer schneller ...
    Die He 111 war das Lieblingsziel der Spitfires und Hurricanes in der Luftschlacht über England gewesen. Doch das war etwas Besonderes, ein wichtiges Unternehmen, es wurde mit großem Aufwand vorbereitet. So geheimnisvoll, wie Milch getan hatte, sollte es ein Entscheidungsschlag gegen die Feinde sein. Jagdflugzeuge, von denen die Luftwaffe nicht genug haben konnte, wurden zum Üben abgestellt, damit eine alte Heinkel ungestört elf Tonnen irgendwohin schleppen konnte. Es wurden neue Motoren für den alten Bomber organisiert, und doch zweifelte Zacher, dass es ihm gelingen würde, elf Tonnen nach oben zu ziehen. Je länger er über den Auftrag nachdachte, desto größer erschienen ihm die Gefahren. Wenn er den Lastensegler nicht in die Luft kriegte, war eine Bruchlandung unvermeidlich. Seine Laune stieg. Sie hatten ihn ausgesucht, weil der Auftrag gefährlich war. Sie hatten einen Mann mit Nerven aus Kruppstahl gesucht und ihn gefunden. Stolz verdrängte er die Enttäuschung. Es war keine Zurücksetzung, es war eine Auszeichnung. Er, Helmut von Zacher, bald Träger des Eisernen Kreuzes Erster

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