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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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haben ihn oft genug gesendet. Die fragen sich jetzt, ob es eine Falle ist. Sie werden bald überzeugt sein, dass es möglicherweise keine ist. Die Verlockung wird am Ende stärker sein als die Angst. Ihre Idee, die Frequenzen der Roten Kapelle zu benutzen, war genial, Krause. Die Russen wissen gleich, mit wem sie es zu tun haben. Und sie wissen, auf welcher Frequenz sie antworten müssen. Wenn sie antworten wollen.«
    ***
    Sie hatten keine direkte Maschine von San Diego nach Washington bekommen. Sie flogen nach New York und nahmen dort einen Mietwagen. Es war viel zu heiß fürs Frühjahr, Myers Gesicht glänzte vom Schweiß. Werdin sagte kein Wort, er schaute wie unbeteiligt aus dem Fenster, blätterte in Illustrierten und Zeitungen oder döste vor sich hin. Carpati mühte sich, ein Gespräch anzufangen, es war umsonst. Wenn Werdin Crowford und Dulles genauso anschwieg, hätten sie ihn auch vergammeln lassen können in seiner Hundehütte am Indianerreservat.
    Ihm war es eigentlich egal, wie Crowford mit dem sturen Bock klarkommen würde. Carpati hatte andere Sorgen.
    Heute Abend würde er sehen, wie es mit Maggy weiterging. Er war froh gewesen, dienstlich verreisen zu müssen, es unterbrach den Dauerstreit zwischen ihnen. Wenn sie nur einsehen könnte, dass er kein Verhältnis mit einer anderen Frau hatte, schon gar nicht im Büro. Ihre Eifersuchtsattacken überfielen ihn, er wusste nicht, wie er ihren Verdacht widerlegen sollte. Kam er vom Dienst nach Hause, fragte sie nach Frauen in seiner Abteilung. Jede Kollegin erschien ihr als Nebenbuhlerin, nur darauf aus, ihren schönen Stan ins Bett zu zerren. Sie traute es Carpati nicht zu, den eingebildeten Avancen zu widerstehen. »Du hast wegen mir eine andere verlassen, du wirst mich wegen einer anderen verlassen«, sagte sie in Momenten der Angst. Manchmal bereute Carpati es, sich von Maggys Vorgängerin getrennt zu haben. »Was es nicht gibt, kann man nicht beweisen«, erwiderte er auf ihre Verdächtigungen. Es nutzte nichts. Er hatte in dem klebrigen Hotel in Tierra del Sol besser geschlafen als zu Hause, dort musste er nicht fürchten, aus dem Schlaf geschüttelt zu werden von einer Frau, deren Schönheit verschwand in einem vom wütenden Wahn verzerrten Gesicht. Carpati wusste, es würde kein gutes Ende nehmen. Es gab Phasen der Ruhe, in denen er hoffte. Inzwischen aber war ihm bewusst, es kam immer wieder, und es kam immer ohne Grund. Vielleicht sollte ich einen Grund schaffen, sagte Carpati. Dann hatte sie endlich Recht, und er hatte Spaß.
    Crowford lachte über sein breites Gesicht, er begrüßte Werdin wie einen zurückgekehrten Sohn. Carpati und Myers würdigte er kaum eines Blicks und warf sie nach kurzer Zeit aus dem Zimmer. Crowford saß an einem riesigen Metallschreibtisch in einem heruntergekommenen Büro, in dem nichts darauf schließen ließ, dass sein Inhaber Chef der Europaabteilung der CIA war. Werdin hatte dieser Hang zum Understatement bei Crowford schon während der Vernehmungen vor fast zehn Jahren amüsiert. Crowford passte in diese Abstellkammer, deren Gerümpel auf den zweiten Blick erstaunlich wohlgeordnet aussah. Hatte vielleicht die lange Beschäftigung mit Deutschland das Äußere des Geheimdienstmanns in diese Karikatur eines bayerischen Postbeamten verformt? Erstaunt registrierte Werdin, wie die Lust am Spott in ihm erwachte.
    »Gut, dass Sie gekommen sind«, sagte Crowford, nachdem Carpati und Myers den Raum verlassen hatten.
    Werdin antwortete nicht. Gut für wen?, fragte er sich. Wohl nur für dich. Und mir hängt ihr ein Büschel Heu vors Maul wie einem Esel.
    »Wir haben in einer Viertelstunde einen Termin bei Dulles, er wird Sie über alles aufklären.«
    Und über was sollen wir beide bis dahin sprechen?, setzte Werdin sein lautloses Selbstgespräch fort. Übers Wetter? Haben die mich von meinem Hof hierher gelockt, um mir was von der Hitze vorzujammern? Werdin spürte, wie Wut ihn erfasste. Die Geheimniskrämerei ging ihm auf die Nerven. Was hatte es mit dem Brief auf sich? Warum holten sie ihn nach Washington? Was hatte das eine mit dem anderen zu tun?
    Nach langem Schweigen schaute Crowford auf seine Armbanduhr und sagte: »Gehen wir.«
    Werdin hatte viel gelesen und gehört über Allen Welsh Dulles. Während des Kriegs saß er mit seiner Spionagezentrale frech in der Schweiz und spann seine Fäden wie eine fette Spinne. Werdin kannte das Profil, das der Sicherheitsdienst damals von Dulles angelegt hatte. Der Mann war eitel,

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