Der 21. Juli
Als am anderen Ende jemand abnahm, sagte er nur: »Melden Sie sich bei mir.«
Keine Minute später ging die Tür auf. »Sturmbannführer Schmidtbaum meldet sich zur Stelle, Gruppenführer«, sagte hackenschlagend ein kleiner, dicklicher Glatzkopf in SS-Uniform.
Krause grüßte nicht zurück.
»Haben Sie eine Antwort erhalten?«, fragte er in scharfem Ton.
»Das hätte ich sofort gemeldet, Gruppenführer«, antwortete Schmidtbaum laut.
»Sie sollen mir nicht sagen, was Sie getan hätten.«
»Jawoll, Gruppenführer«, brüllte Schmidtbaum wie ein Soldat bei der Meldung beim General. Schmidtbaum grinste innerlich. Immer wenn Krause unter Dampf stand, war er unerträglich. Sonst war er umgänglich, Schmidtbaum bewunderte die Intelligenz und das taktische Genie seines Chefs. Der wird mal einer wie Schellenberg, wenn nicht noch besser. Die großen Köpfe waren nun mal launisch wie Diven, es stand ihnen zu. Morgen, spätestens übermorgen würde Krause wieder einen Scherz machen oder ihm zulächeln, als Entschuldigung gewissermaßen. Nein, einen besseren Chef konnte Schmidtbaum sich schlecht vorstellen. Er betrachtete den schmächtigen Mann, dessen schwarze Haare an den Schläfen in Grauweiß übergingen. Dunkelbraune Augen blickten aus einem mageren, fast knochigen Gesicht durch die Lesebrille mit Stahlgestell. Man munkelte im Dienst, Krause sei ein Weiberheld, das Aussehen dazu hatte er. Auch unser großer Chef ist so ein Typ, Schellenberg soll ja sogar was mit Heydrichs Frau gehabt haben, zu dessen Lebzeiten.
»Sind Sie sicher, dass Ihr Funkgerät funktioniert?«
»Jawoll, Gruppenführer. Scharführer Ebert und ich, wir hören an zwei Geräten Tag und Nacht alle Frequenzen ab, die Sie uns genannt haben.«
»Holen Sie sich noch zwei Leute und ein weiteres Funkgerät. Keine Sekunde der Unaufmerksamkeit. Ist das klar?«
»Jawoll, Gruppenführer!«
»Wegtreten!«
Krause kippelte auf seinem Stuhl. Dann griff er wieder zum Hörer. »Ist der Chef da?«, fragte er, horchte kurz und knallte den Hörer auf die Gabel. Er sprang auf, drückte die Zigarette aus und eilte die Treppe zur dritten Etage hoch. Krause öffnete die Tür zu Zimmer 301, nickte Schellenbergs Sekretärin zu, klopfte an der Verbindungstür zum Chefzimmer und drückte die Klinke. Er wartete nie auf Schellenbergs Aufforderung einzutreten.
Schellenberg blickte hinter seinem Schreibtisch auf, erhob sich und kam Krause mit gestreckter Hand entgegen. »Tag, Krause, warum so nervös?«, fragte er freundlich mit leiser Stimme.
Krause ärgerte sich, dass Schellenberg es ihm angesehen hatte.
»Nehmen Sie doch Platz«, bat Schellenberg und wies auf die Sitzecke seines weiträumigen Büros. »Wir sind gut vorangekommen, Krause. Ich war ja gerade in Mailand auf der Polizeikonferenz, und sie waren alle da, die Franzosen, Engländer, Spanier und so weiter und so fort. Seit Stalin tot ist, beginnen auch die Letzten zu kapieren, wer in Europa die Nummer eins ist.« Schellenbergs Jungengesicht lächelte. Wer ihn nicht kennt, würde nicht glauben, dass er der Chef des besten Geheimdienstes von Europa ist, wenn nicht der Welt, dachte Krause. Er sieht aus wie ein Kind und leitet doch seit 1945 den Sicherheitsdienst. Im Krieg hat er sich schön auf Distanz gehalten zur Gestapo, war nur zuständig für den Auslandsnachrichtendienst, hat sogar dem Führer widersprochen, das war dann einer seiner Trümpfe. Walter Schellenberg hatte den Chef der Geheimen Staatspolizei Heinrich Müller, überall GestapoMüller genannt, früh im Verdacht gehabt, und als der zu den Russen überlief, konnte er sagen, er habe es gewusst. Schon vorher hatte Himmler einen Narren an Schellenberg gefressen. Schellenberg war es sogar gelungen, der neuen Regierung klar zu machen, dass Himmler gegen seinen Willen die Untermenschen liquidieren musste, auf Führerbefehl. Und Himmler habe darunter gelitten wie ein Hund. Na ja, dass wir bis an die Zähne bewaffnet sind, hat nach dem Mord am Führer den Erkenntnisprozess auch befördert, dachte Krause.
Er spürte, wie die Anspannung in ihm wich. Seltsam, kaum redete er ein paar belanglose Worte mit Schellenberg, war die Nervosität weg.
»Krause, kommen wir mal zu den wichtigen Dingen. Was macht das Unternehmen Thor ?«
»Es bewegt sich nichts«, erwiderte Krause. »Vielleicht hätten wir einen anderen Weg wählen sollen.«
»Sie sind ungeduldig«, sagte Schellenberg. »Ich habe keinen Zweifel daran, dass Moskau unseren Funkspruch erhalten hat. Wir
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