Der 21. Juli
für ihren Retter. Nur dank der SS haben sie den Krieg nicht verloren. Diese Umstürzler in Berlin gelten vielen in Deutschland immer noch als Verräter, sie sind im Krieg der Front in den Rücken gefallen. Hätte Deutschland den Krieg verloren, Dolchstoßlegende Nummer zwei wäre fällig gewesen. Gucken Sie sich die Herren an, angefangen beim Oberputschisten, dem Reichskanzler Goerdeler. Der wollte Hitler nicht umbringen, sondern überzeugen, um ihn dann, als Stauffenbergs Bombe den Führer in unappetitliche Häppchen zerlegte, mir nichts, dir nichts zu beerben. Die Einzigen, die nach Attentat und Putsch ein Konzept hatten, waren Himmler und die SS. Die hatten offenbar vom Staatsstreich gewusst, aber nichts dagegen getan. Davon bin ich überzeugt, auch wenn es mir manche Superschlauen im Sicherheitsrat nicht glauben wollen.« Dulles wölbte seine Unterlippe vor, er war noch beleidigt wegen der phantasielosen Deppen im Nationalen Sicherheitsrat, die von der CIA erwarteten, dass sie Himmlers Kacke aus dem Klo klaute.
Werdin erinnerte sich an seine Vernehmungen. Was Dulles ihm da als eigene Analyse verkaufte, stammte großteils von Werdin. Er war der Erste, der die Amerikaner in die Hintergründe des Staatsstreichs vom 20. Juli 1944 eingeweiht hatte. Es sei denn, sie hatten einen Spion in der SS oder unter den Putschisten. Beides schloss Werdin aus, dafür waren die Amerikaner nicht gut genug.
»Was ist mit dem Brief?«, fragte Werdin.
Dulles legte seine Stirn in Falten. Diesem teutonischen Mistkerl war es egal, was er ihm erzählte. Dulles fragte sich, ob es richtig war, Werdin Brief und Foto zu geben. Sie hatten lange darüber gestritten, Crowford hatte sich schließlich durchgesetzt. Er hatte Werdin in den Vernehmungen erlebt. »Wenn den noch mal jemand nach Deutschland kriegt, dann nur so«, hatte er mit ungewohnter Sturheit wiederholt. Die Psychologen hatten Crowfords Meinung unterstützt, schließlich gab Dulles nach. Aber für romantischen Kitsch hielt er es immer noch. Und für gefährlich. Was haben wir von einem Agenten, der nur wegen einer Frau loszieht? Auch wenn sie so schön ist wie Irma, dachte Dulles. Er hatte das Foto nicht nur einmal betrachtet.
»Das erfahren Sie gleich«, erwiderte Dulles. Er zündete sich eine Zigarette an. »Wollen Sie einen Kaffee?«, fragte er.
Crowford nickte, Werdin schwieg. Dulles drückte einen Knopf auf seinem Telefon: »Bitte dreimal Kaffee.«
Keiner sagte etwas, bis nach wenigen Minuten eine derbe Schwarzhaarige im Blümchenkleid auf viel zu hohen Absätzen auftauchte mit einem Tablett, darauf Kanne und drei Tassen. »Er wird Ihnen gut tun«, sagte sie mit schriller Stimme. Werdin gab sich Mühe, nicht zu lachen.
»O ja, meine treueste Sekretärin«, sagte Dulles trocken, als sie die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte. Der Duft eines aufdringlichen Parfüms hing süß in der Luft.
»Himmler will uns vernichten. Und danach die Russen. Es ist das gleiche Spiel wie beim famosen HitlerStalin-Pakt. Erst benutzt er die Sowjets, um sie dann zu überfallen.«
»Und die Russen fallen drauf rein, einfach so?«, fragte Werdin.
»Die Russen sind am Boden. Die klammern sich an jeden Strohhalm. Der Krieg hat sie ruiniert, und Stalin hat seinen Teil dazu beigetragen. Ich fürchte, Berija lockt das gefährliche Spiel, dass nämlich diesmal Moskau Berlin übertölpelt. Er glaubt, mit Himmler leichter fertig zu werden als Stalin mit Hitler.«
»Toll, was Sie so alles wissen«, sagte Werdin betont gelassen.
»Die Eierköpfe sind überzeugt, dass es genau so ist«, widersprach Dulles. Werdin fand es wenig überzeugend. Er kannte solche furchtbar logischen Gedankenspielereien, Heydrich hatte sie geliebt, auch Schellenberg neigte dazu. Und Hitler war der größte Kombinierer von allen gewesen. Seine Halluzinationen hätten Deutschland fast in den Untergang geführt.
»Selbst wenn die Analysen der Eierköpfe nicht stimmen, ein Bündnis zwischen Himmler und Berija könnte das Ende der USA bedeuten und der Demokratie auf der Welt. Die Briten tun sich keinen Krieg gegen die Deutschen mehr an, die Japaner haben bis zu den Haarwurzeln aufgerüstet. Ein Pakt zwischen Berlin und Moskau würde auf andere Staaten wirken wie ein Riesenmagnet. Selbst in unserem Hinterhof. Stellen Sie sich vor, Deutschland, Russland und Japan erklären uns den Krieg. Bei allem Vertrauen in unsere Wirtschaftskraft, es gibt selbst in der Regierung Leute, denen dazu nichts Glorreiches mehr
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