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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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gerissen, gefährlich. Sein Bruder John war Außenminister, nicht weniger skrupellos, überheblich und ein Kommunistenfresser. Beide hatten geholfen, dass der große Krieg in einem Remis endete, wenn auch definitionswidrig mit einigen Vorteilen für die Deutschen.
    Dulles saß breit hinter einem Protzschreibtisch und rauchte, dem Gestank nach zu urteilen, nicht seine erste Zigarette. In der Mitte des Schreibtischs erkannte Werdin eine Unterlage aus Leder, darauf ein einzelner Ordner, braune Pappe. Links und rechts stapelten sich Akten. An der Wand hing ein großes Porträt von Präsident Joseph McCarthy. »Ich habe viel von Ihnen gehört, Herr Werdin«, sagte Dulles. Die Stimme fiel dumpfer aus, als Werdin sie sich vorgestellt hatte.
    »Oder möchten Sie lieber als Herr Vandenbroke angesprochen werden?«, fragte Dulles.
    Crowford sagte: »Herr Vandenbroke ist auf dem Weg von Tierra del Sol nach Washington in Herrn Werdin zurückmutiert.« Er kicherte leise.
    »Warum sagen Sie nicht gleich: in den SS-Sturmbannführer a. D. Knut Werdin?«, fragte Werdin.
    Crowford zog die linke Augenbraue hoch, eine Fähigkeit, um die ihn mancher beneidete und die Crowford deshalb umso lieber pflegte.
    Werdin sah Dulles’ Augen auf sich gerichtet. »Warum kommen Sie nicht zur Sache? Was wollen Sie von mir?«, fragte er.
    Dulles runzelte einen Moment die Stirn. Ihn überraschte die Ruppigkeit des Deutschen. Wir machen es ihm aber auch nicht leicht, dachte Dulles. Wie würdest du reagieren, fragte er sich, wenn dir nach Jahren jemand auf die Pelle rücken und mit Andeutungen um sich werfen würde? Aber bei allem Verständnis, er mochte diesen Deutschen nicht, genauso wenig wie alle anderen. Dulles erhob sich hinter seinem Schreibtisch und bat Crowford und Werdin mit einer kurzen Handbewegung, am Konferenztisch Platz zu nehmen. Werdin setzte sich ans eine Ende, Auge in Auge mit Dulles, der an der Stirnseite Platz nahm.
    »Ich vermute, Sie haben ab und zu Zeitung gelesen und Radio gehört«, sagte er. »Dann wissen Sie, dass wir uns in einer gefährlichen Lage befinden. Die Eierköpfe sprechen von Tripolarität, die beschäftigen sich sowieso die meiste Zeit damit, uns das Leben schwer zu machen mit ihrem Kauderwelsch. Dabei ist die Sache einfach: In einer Welt, die von drei Großmächten beherrscht wird, gewinnt am Ende die, die eine andere Großmacht auf ihre Seite zieht.«
    »Das hat mir Radio Tierra del Sol auch schon verraten«, sagte Werdin.
    Dulles ließ sich nicht beirren: »Selbst die Rothäute wissen, dass eins und eins doppelt so viel ist wie eins. Stellen Sie sich vor, unser Präsident würde den Deutschen vorschlagen, sich mit uns gegen die Sowjetunion zu verbünden. Auf dem Papier wäre das eine ideale Konstellation: Die beiden antikommunistischen Mächte tun sich zusammen gegen die Kommunisten. Niemand hasst die Kommunisten heftiger als Präsident McCarthy, stärker sogar als Ihr Reichskanzler Goerdeler«, sagte er, zu Werdin gewandt. »Aber unser Präsident will wieder gewählt werden. Und für die meisten Amerikaner sind alle Deutschen Nazis. Die Nachrichten über die Todeslager im Osten wirken noch Jahrzehnte nach. Für viele Leute war Stalin eben nicht der große Schlächter, sondern Uncle Joe.« Nach einem kurzen Zögern: »Nein, ein Bündnis mit den Deutschen gegen die Russen ist unmöglich.«
    Werdin glaubte, einen bedauernden Unterton zu hören. Er fragte sich, was er mit diesen strategischen Auslassungen zu tun haben sollte.
    Diesen Quatsch konnte man landauf, landab in jeder Provinzzeitung lesen.
    Dulles fuhr fort: »Natürlich würde sich unser Präsident nie mit den Russen gegen die Deutschen verbünden. Es wäre der falsche Bündnispartner und der falsche Gegner.«
    Na und, dachte Werdin. Euer toller Präsident dankt wahrscheinlich jeden Abend auf der Bettkante Hitler in der Hölle, dass er die Juden vergast hat.
    Crowford hing an den Lippen seines Chefs.
    »Betrachtet man aber die Sache aus der Sicht der Deutschen, sieht alles anders aus. Die Deutschen können sich mit den Russen zusammentun, nur zeitweise natürlich, um uns in die Zwickmühle zu bringen. Sie könnten sich aber auch bemühen, mit uns anzubändeln gegen Moskau. Weil unsere Öffentlichkeit antideutsch eingestellt ist, sieht es eher nach einer deutschsowjetischen Annäherung aus, jedenfalls in der Theorie.«
    »So wie im August 1939, der HitlerStalin-Pakt«, warf Crowford ein.
    Dulles ignorierte die Bemerkung. Er strich sich mit der rechten Hand

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