Der 21. Juli
schmeckte das Salz seiner Tränen.
DRITTES BUCH
- FRÜHJAHR 1953 -
I.
S ie hatten ihn würdig verabschiedet, sogar Dulles war kurz erschienen. Am Kai des Kriegsmarinehafens von Charleston lag das erst knapp zwei Jahre zuvor in Dienst gestellte U-Boot SS-566, die USS Trout, ein Schiff der Tang-Klasse. Es erschien Werdin winzig klein inmitten der Flugzeugträger, Schlachtschiffe und Kreuzer. Der Turm ragte fast senkrecht aus dem schlanken Bootskörper hervor. Das Schiff verdrängte unter Wasser zweitausendsiebenhundert Tonnen und erreichte an der Meeresoberfläche eine Geschwindigkeit von mehr als fünfzehn Knoten, getaucht war es etwas schneller. Dank eines Schnorchels konnte das Boot seine Batterien unter Wasser laden und musste nicht auftauchen. Das und mehr hatte Crowford stolz berichtet, um Werdin zu bestätigen, dass er die richtige Wahl getroffen hatte, als er entschied, ein U-Boot solle ihn an der holländischen Küste absetzen. Von dort wollte Werdin sich nach Deutschland durchschlagen.
Einen Moment erfasste ihn Angst, als er sich durch den Turm ins Boot gezwängt hatte. Sein Gepäck bestand aus einem Koffer, darin neben Unterwäsche und Waschzeug falsche Papiere auf den Namen Oskar Brockmann, die Uniform eines Sturmbannführers des SD, eine blaue Regenjacke, eine grüne Hose und eine Walther P 38 mit Schulterhalfter.
Kommandant George W. Kittredge, ein stämmiger, mittelgroßer Mann, auf dessen Kopf sich eine Glatze ankündigte, begrüßte Werdin respektvoll. Er ging mit ihm durchs Boot, stellte ihn den Offizieren und Unteroffizieren vor: »Die wichtigste Ladung, die die Trout jemals befördert hat, ungefähr so wichtig wie der Kronschatz der Königin von England oder der Dackel unseres Präsidenten.«
Sie hatten Werdin in eine Navy-Uniform gesteckt, damit er im Hafen nicht auffiel. Dulles und Crowford verabschiedeten ihn im Dienstraum des Hafenkommandanten mit salbungsvollen Worten. Für Werdins Geschmack war darin zu oft vom Weltfrieden die Rede. Sie stellten ihm Orden und Geld in Aussicht, wenn es ihm gelang, Himmler zu töten. Falls ich es schaffe, danach nach Amerika zurückzukehren, dachte Werdin. Eigentlich konnte es Dulles und Konsorten egal sein, ob er den Anschlag auf Heinrich Himmler überlebte. Hauptsache, er besorgte dem verhassten Reichsführer-SS ein Staatsbegräbnis in Berlin.
Werdin war sich nicht sicher, ob er es tun würde. Er hatte das Foto von Irma in eine Innentasche gesteckt und ertappte sich oft dabei, wie er es herausnahm und anschaute. Nein, Himmler war weit weg. Werdin hatte in Berlin eine Sache zu klären, die ihm wichtiger war. Lebte Irma wirklich, oder war es ein Trick, um ihn nach Deutschland zu locken? Wenn es ein Trick war, wer steckte dahinter, Dulles oder Schellenberg? Dulles und Crowford wussten, dass er sich für Himmler nicht interessierte. Er hätte die Reise nach Berlin nicht angetreten ohne den Brief von Irma. Aber war sie es wirklich, oder hatte ein begabter Retuscheur gut gearbeitet? Und war es sein Sohn?
Werdin wusste, Geheimdienstler kennen keine Dankbarkeit. Dabei hätten nicht nur Dulles und Crowford jeden Grund, ihn auf Händen zu tragen. Schließlich hatte er verhindert, dass die Vereinigten Staaten mit der Uranbombe angegriffen wurden.
Aber ob die Dankbarkeit reichte, ihn wieder in die USA zurückzubringen? Sie hatten ihm Namen und Adresse eines Verbindungsmanns in Rotterdam eingebläut, Carl Henningen, Rosestraat 46. Wenn Werdin seinen Auftrag erfüllt hatte, sollte Henningen ihn auf einen Ozeandampfer nach Südamerika schleusen, als blinden Passagier oder Matrosen. Das war die eine Variante. Bei der anderen war von einem U-Boot die Rede gewesen, das Henningen per Funk an die Nordseeküste lotsen sollte, so dass Werdin Europa auf dem gleichen Weg verlassen würde, auf dem er den Kontinent betreten hatte. Es hätte Werdin nicht gewundert, wenn Crowford sich noch weitere Fluchtvarianten ausgedacht hätte. Sie wollten ihn offenbar überzeugen, dass sie sich die Köpfe darüber zerbrachen, wie sie ihn wieder nach Hause kriegten. Doch damit erreichten sie das Gegenteil. Schon bevor er europäischen Boden betreten hatte, wusste Werdin, dass er bei der Flucht auf sich allein gestellt sein würde. Je länger er darüber nachdachte, desto häufiger fragte er sich, ob es diesen Carl Henningen überhaupt gab.
Stockholm, wo sonst? Grujewitsch hatte sich mit Schellenberg geeinigt auf ein Treffen in der schwedischen Hauptstadt. Schweden war neutral, aber
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