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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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sich gelegentlich an den Händen. Werdin ging im Kopf wieder und wieder die Fluchtstrecke durch. Er hatte sich Punkte gesucht, wo sie Deckung nehmen konnten, um sich Stück für Stück dem Boot zu nähern. Das Boot war mit einer Schlaufe am Ufer vertäut. Gäbe es die Wehrmachtstellungen und die Streife nicht, es wäre einfach gewesen, ans andere Ufer des gemächlich dahinfließenden Stroms zu rudern. In der Nacht würden die Soldaten darauf achten, nicht durch Spähtrupps der Amerikaner überrascht zu werden. Vermutlich waren nachts mehr Streifen unterwegs. Aber Werdin hatte keine Zeit, es zu prüfen. Vielleicht schrieben sie in Berlin schon den Fahndungsbefehl.
    Es war neun Uhr am Abend, als sie aufbrachen, die Koffer in den Händen. Die Hauptstraße war leer und wegen der Verdunklung unbeleuchtet. Der Mond spendete wenig Licht. Sie gingen zu einem Schuppen, dem letzten Gebäude am Ortsrand. Werdin gab Irma ein Zeichen, dass sie hier warten solle. Geduckt ging er mit langsamen, leisen Schritten in Richtung Rhein und kauerte sich hinter einen Busch. Am anderen Ufer stieg ein roter Feuerball in den Himmel, eine Leuchtpistole. Werdin starrte auf den Fluss. Wie viele Streifen waren unterwegs? Er erkannte Soldaten in lockerer Linie, die Karabiner im Anschlag. Es waren mindestens zwölf Mann, die Uferstreife war verstärkt worden. Sie liefen gemächlich stromabwärts. Einer flüsterte etwas, ein anderer antwortete. Ein Trupp kam in gleicher Formation aus der Gegenrichtung, sie hatten die Parole ausgetauscht. Werdin beobachtete die zweite Streife, die stromaufwärts das Ufer sicherte. Drüben stieg eine weitere Leuchtrakete. Die Streifen verschwanden in der Dunkelheit. Werdin schlich zurück zum Schuppen.
    »Wir verstecken uns hinter einem Busch ein Stück weiter vorne und warten, bis sich die Streifen treffen. Sobald wir sie nicht mehr sehen, versuchen wir es«, flüsterte Werdin. Er nahm sie an der Hand, drückte sie kurz, dann gingen sie los. Sie erreichten den Busch. Es dauerte vielleicht eine Viertelstunde, bis die Patrouillen sich wieder trafen. Werdin hörte sie leise sprechen, dann liefen die Soldaten in beiden Richtungen weiter. Einer hustete leise. Als die Nacht die Soldaten geschluckt hatte, zog Werdin Irma zum Fluss. Es waren keine hundert Meter. Sie wartete, während er die Schlaufe vom Pflock am Ufer zog. Das Wasser plätscherte, der Kahn scheuerte auf dem Ufersand. Werdin hielt das Boot, Irma kletterte hinein. Es schwankte. Dann stieg Werdin mit einem Bein ein, mit dem anderen stieß er das Boot vom Ufer ab. Er kletterte in die Mitte, wo unter der Sitzbank die Riemen verstaut waren. Er steckte die Riemen in die Halterungen und begann zu rudern. Irma saß auf der Bank im Heck des Boots. Eine Leuchtrakete auf dem Ufer der Amerikaner warf blassrotes Licht auf den Fluss. Plötzlich ein lauter Knall, ein Feuerblitz, die Achtundachtzig-Millimeter-Kanone des Tigers feuerte. Werdin hörte keinen Aufschlag der Granate. Leuchtraketen auf beiden Ufern, gelbe und rote. Die Reflexion im Wasser verstärkte das Licht. Werdin ruderte, während das Boot stromabwärts getrieben wurde. Er fühlte sich wie auf dem Präsentierteller. Am deutschen Ufer nahmen Schützen Aufstellung. Gebellte Befehle. SS. Eine Leuchtrakete warf Licht auf die Schützenreihe. Kannte er diese Fresse nicht? War das Krause? Woher kamen sie? Ratatatatat, sägten die Maschinenpistolen. Der Tiger schoss in schneller Folge. Wieder keine Aufschläge. Kein Treffer der MP-Schützen am Ufer, obwohl sie mit Feuer speienden Mündungen Salve auf Salve abfeuerten. Auf wen feuerten sie, wenn nicht auf uns? Der Schweiß lief ihm am Körper hinunter, aus den Armen wich die Kraft. Werdin spürte Schwindel im Kopf, während er ruderte. Er sah Irma schemenhaft am Heck sitzen,
    eine Hand vor den Mund geschlagen.
    Plötzlich war ein Moment Ruhe, dann peitschte ein Schuss. Irma wurde nach vorne gestoßen, ihr Körper straffte sich. Sie blickte ihn an und fiel rückwärts ins Wasser wie ein Brett. Ihre blonden Haare lösten sich im Wasser. Dann wurde sie verschluckt. Er ließ die Riemen los und sprang ins Wasser, tauchte, fühlte den Druck der Strömung. Er sah nichts. Dunkelheit umgab ihn. Mit einem kräftigen Beinschlag drückte er sich an die Oberfläche, atmete tief ein, löste seine Koppel, ließ die Pistolentasche los und tauchte wieder. Nichts. Er tauchte und atmete hastiger. Dann verließ ihn die Kraft. Er legte sich auf den Rücken und ergab sich der Strömung. Er

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