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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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sah gut aus, fand er. Gut genug jedenfalls für eine Brünette von der Poststelle.
    ***
    Ein U-Boot ist eine Höhle, verpackt in einen wasserschlüpfrigen Stahlmantel. In dieser Höhle namens Trout lebten viel zu viele Männer, genauer gesagt, ein Teil schlief oder döste, während der andere bis zum Wachwechsel seine Aufgaben erfüllte. Ein Hänfling saß mit dem Kopfhörer im Kommandostand und tat nichts anderes, als ins Meer zu lauschen. Einige Male hatten Frachter ihren Weg gekreuzt, der Hänfling konnte ihr Schraubengeräusch unterscheiden von dem anderer Schiffe. Werdin interessierte sich nicht für die technischen Einzelheiten des Boots, auch wenn er damit den Mitteilungsdrang des Kommandanten unterlief. Werdin fand es langweilig, aber zweckmäßig, die meiste Zeit unter Wasser zu verbringen. Die Langeweile schuf Platz für die Angst. Was würde ihn in Deutschland erwarten? Wie sah es dort aus? Und lebte Irma wirklich noch? Er hatte in den vergangenen Jahren oft von ihr geträumt, immer starb sie in den Träumen.
    Er starrte auf das Bild, das Irma zeigte. Und seinen Sohn. Er betrachtete das Gesicht des Kindes und entdeckte einmal mehr seine Züge. Ihm gefiel die Vorstellung, sie hätten in ihrer letzten Nacht in Berlin ein Kind gezeugt. Wenn es stimmte, wenn Irma noch lebte und er einen Sohn hatte, was sollte er tun? Werdin wusste, sie hatten ihn geködert mit Foto und Brief. Sie hätten beides vergammeln lassen, wenn ihnen nicht eingefallen wäre, Himmler umbringen zu lassen. Aber das hieß nicht, dass das Foto gefälscht war. Er würde es merken, Dulles musste in diesem Fall damit rechnen, dass Himmler der lachende Dritte war. Aber warum sollte er ihn überhaupt töten? Was änderte es? Warum für die Amis den Laufburschen mit der Knarre spielen? Zumal Werdin bei dem Unternehmen stärker gefährdet war als der Reichsführer der SS. Nein, mit Himmler hatte Werdin keine Rechnung offen. Eigentlich mit niemandem. Dulles und Crowford mussten wissen, dass er sich wegen Irma einschlich in Deutschland, sie konnten nicht ausschließen, dass er es sich in Deutschland anders überlegte und Himmler in Ruhe ließ. Sie schienen böse in der Klemme zu sein, wenn sie auf einen so unsicheren Kandidaten setzten wie ihn. Aber einem Cowboy durfte man eine solche Aktion nicht anvertrauen. In Deutschland gab es kein Kaugummi.
    Kurz vor Ende der Reise packte die Aufregung Werdin doch noch. Sie mussten mehrere Male Wachbooten und Zerstörern ausweichen, die an der Küste patrouillierten. Der Hänfling am Sonar drehte wild an seiner Scheibe. Aber die Küstenwache hatte schon jahrelang nichts Richtiges mehr zu tun gehabt, die Aufmerksamkeit schwand. Sie hatten eine mondlose Nacht ausgesucht, damit ihr Boot nicht entdeckt wurde, wenn es auftauchte. Allerdings mussten sie sich beeilen, an der Wasseroberfläche bildeten sie einen schönen hellen Punkt auf den Radarbildschirmen der holländischen Küstenwache und ihrer deutschen Beschützer. Sie konnten nur hoffen, dass man sie für ein Fischerboot hielt.
    Es war ein Uhr Ortszeit. Der Kommandant hatte sein Boot geschickt in die Nähe der Küste gesteuert. Er winkte Werdin ans Sehrohr, durch das ein schwacher Schein im Nachthimmel hinter dem Deich zu erkennen war.
    »Wir liegen hier vor Katwijk aan Zee, aber der Schimmer stammt von Leiden«, sagte Kapitän Kittredge. »In Katwijk leuchtet jetzt höchstens eine alte Straßenlaterne. Näher kommen wir nicht heran ans Ufer. Ein Schlauchboot bringt Sie an den Strand. Wir müssen es draußen aufblasen, sonst ginge es nicht durch den Turm. Aber keine Sorge, es dauert nur ein paar Minuten.«
    Ein paar Minuten länger auf den Radarschirmen, dachte Werdin.
    Der Kapitän verabschiedete ihn mit einem strammen Händedruck und einem »Good luck!«. Der Mann kannte Werdins Auftrag nicht. Aber er konnte sich leicht vorstellen, dass es sich nicht um einen Erholungsurlaub an der Nordsee handelte. Werdin bildete sich ein, einen Augenblick lang habe sich Sorge gezeigt in den Augen des Kapitäns.
    Zwei Mann ruderten Werdin mit seinem Koffer an den Strand von Katwijk. Sie hatten Lappen um die Ruderblätter gewickelt, um ihr Platschen im Wasser zu dämpfen.
    Werdin hatte sich zwei Riemen an den Koffer nähen lassen, so dass er ihn auf dem Rücken tragen konnte. Im Schutz der Dunkelheit wollte er sich über den Deich in den Ort schleichen. Er trug einen braunen Mantel über einem beigen Baumwollanzug, der Schlips und die SD-Uniform waren im Koffer. Seine Schuhe

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