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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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hatte er mit Bedacht ausgesucht und sie in Amerika zeitweise in der Ausbildung getragen. Er rechnete damit, lange Strecken laufen zu müssen. Alles, was er trug, war von V-Leuten der CIA in Deutschland beschafft worden.
    Knirschend setzte das Schlauchboot auf den Strand. Sie hatten Glück, der Wellengang war gering. Er musste aufpassen, nicht einer Küstenstreife in die Hände zu fallen. Allerdings war die Gefahr gering, seit die Engländer ihr Bündnis mit den USA beendet hatten und die amerikanischen Truppen aus Südengland abzogen. Auf den britischen Kanalinseln wachten seit 1940 Soldaten der Wehrmacht. Eine zweite Invasion an der Atlantikküste war unmöglich.
    Werdin schnallte sich seinen Koffer auf den Rücken und stieg den Deich hoch. Ein paar Mal rutschte er aus auf dem glitschigen Gras. Auf der Rückseite des Deichs glitt er mehr hinunter, als er lief. Er hörte Stimmen und kniete sich auf den Boden. Die Stimmen kamen näher, dann entfernten sie sich. Wahrscheinlich Fischer, die ihre Boote klarmachten. Werdin ging langsam landeinwärts. Er stieß auf eine Kleingartensiedlung. Nach einigem Suchen fand er eine Tür, die sich leicht öffnen ließ. Er wollte im Häuschen warten, bis die Sonne aufging. Die Fensterläden waren geschlossen, so riskierte er es, sich kurz mit seiner Taschenlampe zu orientieren. Er sah eine Feldliege, einen Tisch mit drei Stühlen, einen zweiflammigen Gaskocher, ein Spülbecken. Eine kleine Tür führte zu einem Plumpsklo. Werdin löschte die Taschenlampe und legte sich auf die Liege. Er würde nicht schlafen, aber sich ausruhen für die große Reise nach Berlin. Er besaß Fahrscheine für die Eisenbahn von Leiden bis Venlo, auch für die Weiterfahrt in Deutschland. Er konnte einen Zug von Rheydt nach Köln nehmen, um dort in den direkten D-Zug nach Berlin umzusteigen.
    Gedanken rasten durch seinen Kopf. Ob es in Rheydt noch die Joseph-Goebbels-Straße gab, zu Ehren des Sohnes dieser Stadt? Zur Einweihung der Straße hatte ein Volksfest stattgefunden, das der Völkische Beobachter zu Recht als Zustimmung der Massen zur Naziregierung verkaufte. Werdin näherte sich Deutschland, und es kam alles zurück, was er vergessen wollte. Man kann sein Leben nicht auslöschen.
    Der Morgen brach an. Schmale Lichtstrahlen durchdrangen die Fensterläden. Werdin war doch eingenickt, aber nicht fest genug, um nicht sofort zu wissen, wo er war. Ein schöner Sommertag an der Nordsee brach an. Er verließ die Hütte, nicht ohne sich zu vergewissern, dass er nicht beobachtet wurde. Dann schnallte er sich den Koffer auf den Rücken und lief ins Dorf. Nach wenigen Minuten erreichte er die ersten Häuser, klein, ohne Vorhänge, weiß gestrichen, rote Dächer. In der Mitte des Orts eine Post mit rotem Briefkasten und eine Telefonzelle. Ein gedrungener Klinkerbau beherbergte das Rathaus, daneben ein Krämerladen. Werdin hatte im U-Boot kräftig gegessen, er spürte keinen Hunger. Wie Crowford gesagt hatte, fand sich vor dem Rathaus eine Bushaltestelle. Er würde den Bus nach Warmond nehmen und dort umsteigen nach LeidenHauptbahnhof. Von dort fuhr ein Zug nach Rotterdam. In Rotterdam schließlich gab es eine direkte Verbindung nach Venlo. Dort war die Grenze. Auch wenn er mit Kontrollen im Zug rechnete, die erste große Hürde fürchtete er dort.
    Es war einfach gewesen. Alle Verbindungen klappten, jedenfalls bis Rotterdam. Er wurde nicht kontrolliert. Es war normal, dass deutsche Beamte in Holland reisten, so dass sich niemand an seinem deutschen Akzent stieß. Die Busfahrer und Schaffner zeigten Distanz, es wäre auch einem Wunder gleichgekommen, wenn sie die Deutschen liebten. Der Hauptbahnhof in Rotterdam war belebt, gut für Werdin, so fiel er nicht auf. An einem Kiosk kaufte er sich die Frankfurter Zeitung, die wegen ihres Verbots durch die Nazis im Ruch stand, der Regierung nicht nur zu huldigen. In dieser Ausgabe war davon nichts zu erkennen. Es ging auf den 20. Juli 1953 zu, Grund genug für das Blatt, ein Porträt Hitlers zu liefern. Seine Fehler seien der Überfall auf die Sowjetunion und die Judenpolitik gewesen, seine Verdienste die Befreiung Deutschlands vom Schanddiktat von Versailles. Seltsam, dass die schlauen Redakteure nicht begriffen, dass Hitler seinen Krieg begann, nachdem die Auflagen des Versailler Vertrags von 1919 erledigt waren. Sie hatten alle mitgemacht, ob als Soldaten, ob als Propagandisten des schmutzigsten Kriegs, und nun hatten sie Schwierigkeiten mit der Wahrheit. Nur eine

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