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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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ein schöner Abend«, sagte Schellenberg und trank einen Schluck Pils.
    Krause nickte. Er war ungeduldig. Er fand den Abend weniger schön. Er dachte an seine Frau und die Kinder. Sie hatte ihn verlassen, hatte seine Affären und Lügen satt.
    »Schauen Sie nur, wie die rote Sonne sich in den Scheiben spiegelt«, sagte Schellenberg.
    Sie hatten sich am frühen Abend in Glotzkowskys Bierstuben verabredet. Die Kneipe lag in der Behrenstraße, gegenüber dem Metropol-Theater. Sie nahmen das Tagesangebot: Eisbein mit Sauerkraut. Danach hatten sie sich einige Kümmel gegönnt.
    »Ich weiß, dass Werdin nach Berlin kommen wird. Und ich behaupte, er soll den Reichsführer erschießen.« Er sagte es zum dritten oder vierten Mal, Schellenberg lächelte ihn an.
    »Gut, Krause, mag ja sein. Aber wer glaubt ernsthaft, es könne einem Einzelnen gelingen, Himmler zu ermorden. Das sind doch Hirngespinste. Niemand im Deutschen Reich wird besser bewacht als der Reichsführer. Aus gutem Grund, wie wir wissen.«
    Sie hatten nach dem Krieg die Rache der Juden und anderer Opfer des Mordregimes befürchtet. Und sie schlossen nicht aus, dass irgendjemand doch noch einen Schlag gegen sie führen würde. Manchmal glaubte Krause aber, diese Furcht sei allein die Frucht des schlechten Gewissens, das einige Empfindsame so gern hervorkehrten.
    »Also, ich habe mit Werdin zweimal ein Wettschießen veranstaltet ...«
    »Und zweimal verloren.« Schellenberg lachte fröhlich. »Nun gut, Sie haben ja vielleicht Recht, und ich will keinen Fehler machen. Diesen Fehler würde mir der Reichsführer sicher nicht verzeihen.« Schellenberg lachte wieder.
    Wahrscheinlich stellt er sich gerade vor, wie Himmler ihn als Wiedergänger erwürgt, dachte Krause. »Ich schlage vor, wir geben ein Fahndungsfoto Werdins an jedes Berliner Polizeirevier.«
    Schellenberg schaute ihn zweifelnd an. »Na gut, tun Sie das«, sagte er.
    Krause sprang von seinem Stuhl auf und ging zum Tresen. Dort telefonierte er kurz. Als er zum Tisch zurückkam, war er entspannter. »Ich habe die Fahndung eingeleitet«, sagte er.
    »Wenn Sie mal nicht ein paar tausend Polizisten unnötig nervös machen. Alle suchen Ihr Phantom, während Berlins Omas um ihre Handtaschen zittern.« Schellenberg lachte.
    Krause ging die gute Laune seines Chefs auf die Nerven. Er wollte das Thema wechseln. »Was passiert jetzt mit den Russen?«, fragte er.
    »Ach, wissen Sie, die Russen machen einen Vertrag mit uns. Der gute Berija ist ja richtig versessen darauf. Er will seinen Genossen klar machen, dass er der auserwählte Führer der Sowjetunion ist. Er glaubt, so ein außenpolitischer Triumph wäre genau der Beweis, den er braucht. Er soll ihn haben.« Schellenberg starrte einen Augenblick aus dem Fenster, zündete sich eine Zigarette an, trank einen kräftigen Schluck Bier und sagte mit ernster Miene: »Die Russen sind dümmer, als wir gehofft hatten. Die glauben wirklich, an unserer Haltung zum Kommunismus könnte sich was ändern.«
    »Aber vielleicht wollen sie, dass wir genau das denken?«
    »Sie sind ein schlaues Kerlchen, Krause. Und weil Sie so schlau sind, sage ich Ihnen noch etwas. Dass Ihr Freund Werdin zurückkommt, weiß ich länger als Sie. Ich weiß es sogar länger als Werdin. Ich habe seiner entzückenden Freundin nämlich vor langer Zeit vorgeschlagen, ihrem lieben Knut einen lieben Brief zu schreiben.« Schellenberg lachte, als hätte er einen guten Witz erzählt. »Der Werdin ist ein sentimentaler Bock. Ich habe mich lange mit dem Kameraden befasst. Und doch war ich manchmal im Zweifel, ob der Brief ankommen würde. Und wenn er ankäme, ob er reichen würde. Und wenn er reichen würde, ob die Amis es zuließen, dass Werdin nach Deutschland reist. Das würden sie ja nur tun, wenn sie sich davon etwas versprechen. Ich gebe zu, ich hatte ein bisschen Glück. Die CIA selbst will ihn uns schicken, wenn denen diese geniale Idee auch erst nach zwei Jahren gekommen ist. So lange haben sie auf dem Brief gesessen. Und dann haben sie plötzlich Post gespielt. Warum? Die haben was Großes vor. Und vielleicht hat ihnen Irmas Brief ein bisschen geholfen. Warum sonst sollte der Mann in die Höhle des Löwen marschieren?«
    Krause wurde bleich. »Sie haben alles gewusst?« Er wusste nicht, ob er seiner Empörung freien Lauf lassen sollte. Oder seiner Bewunderung.
    »Na ja, nicht alles. Das kann man nicht steuern. Aber man kann die Dinge so zurechtlegen, dass andere mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit

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