Der 26. Stock
unentschlossen damit herum, ohne die Zigarette anzuzünden. »Den Glimmstängel habe ich seit drei Monaten dabei. Ich
glaube, wenn ich den rauche, bin ich gleich wieder bei zwei Schachteln am Tag. Na schön … Und was war auf der CD, die Sie von Carlos bekommen haben?«
Isabel hielt ihm die ausgedruckten Personaldaten hin. Márquez blätterte darin herum.
»Holzfällermarkierungen«, sagte er nachdenklich. Isabel sah ihn verständnislos an. Márquez lächelte und deutete auf eines
der seltsamen Kreuze neben den Fotos. »Wenn Sie aus dem Norden wären, würden Sie das auch kennen. So markiert man Bäume, bevor
sie gefällt werden. Gelb bedeutet, dass der Baum noch stehen bleiben soll, damit er einen optimalen Holzertrag bringt, rot
steht dafür, dass der Baum fällig ist.«
Isabel besah sich die Striche.
»Weder Zac noch ich haben kapiert, was das heißen soll«, gab sie zu. »Was wir herausgefunden haben, ist, dass all diese Leute
im 26. Stock gearbeitet haben, bevor sie noch weiter befördert wurden. Danach verliert sich ihre Spur. Die letzte Akte ist die von
Carlos’ Vater, der sich umgebracht hat.«
»Arbeitete sein Sohn schon damals für die Firma?«, wollte der Polizist wissen.
»Nein, er kam erst nach dem Tod seines Vaters zu uns. Ich habe selbst das Bewerbungsgespräch mit ihm geführt. Dann haben wir
uns allerdings erst vor etwa einer Woche wiedergesehen.«
Der Polizist nickte und kratzte sich am Kinn. Dann steckte er seine zerknitterte Zigarette wieder ein.
»Isabel, hören Sie mir zu«, sagte er und senkte den Blick. Sie konnte sich nicht erinnern, ihn schon einmal so verlegen gesehen
zu haben. »Ich bin ein einfacher Polizist, auch wenn ich es zum Inspektor gebracht habe. Dealer, Nepper, Zuhälter, mit solchen
Leuten komme ich klar. Aber was Sie mir erzählen, klingt für mich nach einer ziemlich großen Sache, und ich weiß nicht, ob
ich der Richtige bin, um da meine Nase reinzustecken.«
Isabel schob ihr Tablett zur Seite und beugte sich vor.
»Unser neuer Abteilungsleiter, der Stellvertreter von Alberto Hernán, behauptet, die Polizei sei informiert worden.«
Márquez schien das nicht zu überraschen.
»Ich weiß«, sagte er. »Ich habe mich ein wenig umgehört. Aber wenn es um eine wirklich schwerwiegende Angelegenheit geht … dann kann niemand sie unter den Teppich kehren.«
Isabel entging nicht, wie zögerlich der Inspektor den letzten Satz beendet hatte. Deshalb entschloss sie sich, ihm von der
Fotokopie und der Filmaufnahme zu erzählen. Nervös trommelte Márquez mit den Fingern auf den Tisch. Ein kaputtes Fenster im
Turm, Scherben um eine am Boden liegende Leiche, daneben zwei Männer, einer davon in Polizeiuniform, und ein Streifenwagen.
»Wer hat Ihnen das gegeben?«, fragte er. Dass die Polizei im Spiel war, schien ihm nicht zu passen.
»Ich weiß es nicht. Ich hatte den Eindruck, dass jemand das Material zurechtgelegt hat, damit ich es finde. Als ich dann Carlos’
Aufnahme fand, dachte ich, vielleicht war er das.«
»Können Sie belegen, was Sie da sagen?«
Isabel schüttelte den Kopf. Wer auch immer in Hugos Büro eingedrungen war, hatte die Kopien beseitigt. Es gab nur eine Möglichkeit,
um zu beweisen, dass sie die Wahrheit sagte.
»Wenn Sie möchten, dass ich Ihnen vertraue«, meinte Isabel,»dann müssen Sie mir auch vertrauen. Die Filmaufnahmen kann ich Ihnen geben. Ansonsten habe ich noch das Nummernschild notiert,,
das auf dem Foto zu sehen war, falls Ihnen das was hilft.«
Sie kramte in ihrer Arbeitstasche und reichte dem Inspektor einen Zettel, auf den sie vor Tagen die Kombination von Zahlen
und Buchstaben gekritzelt hatte. Der Polizist betrachtete den Zettel mit gerunzelter Stirn. Er nahm eine Serviette von seinem
Tablett und notierte sich das Nummernschild sowie die Namen der Personenbögen.
»Wissen Sie was?«, sagte er, während er sich erhob. »Ich habe keine Zweifel, dass das, was Ihrem Freund passiert ist, damit
zusammenhängt. Aber mir scheint, dass wir vor einem riesigen Sumpf stehen, und ich hoffe, dass wir beide nicht darin untergehen.
Wenn Sie nichts dagegen haben, mache ich mich jetzt auf den Weg. Ich habe eine Menge zu erledigen.«
»Denken Sie, ich sollte aus dem Turm verschwinden?«
»Sie meinen, Ihren Job aufgeben?« Isabel nickte. »Das ist Ihre Sache. Ich sage Ihnen nur eines: Wenn es stimmt, dass hier
etwas Übles im Gange ist, dann wäre es schon nützlich, jemanden zu haben, der drinnen
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