Der 26. Stock
Ein klein wenig Zeit blieb ihm.
Er konnte in die absolute Dunkelheit eindringen und beten, dass es ihn nicht das Leben kostete. Er wollte gerade kehrtmachen,
als er hörte, wie die erste Aufzugtür aufging. Wie gelähmt blieb er stehen und wartete darauf, dass ein Schuss fiel. Diese
Kerle würden nicht lange fackeln. Sie würden keine Zeugen hinterlassen. Vielleicht war es auch Teo und Isabel so ergangen.
Doch keine Kugel pfiff durch die Luft, stattdessen hörte er die Stimme eines alten Mannes.
»Würden Sie mir kurz helfen?«
Zac wandte sich um. Aus dem Fahrstuhl kam der Mann, den sie vorher unten bei den Containern getroffen hatten. Der Alte schleppte
sich mit einem großen Desinfektionsmittelbehälter ab, in dem rosa Flüssigkeit hin und her schwappte. Hinter ihm standen zwei
weitere Behälter und warteten darauf, ausgeladen zu werden. Zac nahm dem Mann den seinen ab und stellte ihn auf den Boden.
Ohne eine Sekunde zu verlieren, zog er seine gestohlene Magnetkarte heraus und versuchte sein Glück im Aufzug. Nichts geschah.
Bestimmt hatten sie die Karte aus dem System gelöscht, als der Alarm ausgelöst wurde. Er drehte sich zu dem Neuankömmling
um. Er brauchte eine neue Karte.
»Hören Sie, ich muss runter in die Tiefgarage. Ein Notfall.«
Es gelang ihm nicht, seine Nervosität zu verbergen. Die Zeit drängte. Doch der Mann lächelte und musterte Zac seelenruhig.
»Nicht so hastig, mein Freund«, sagte er, während er den zweiten Behälter auslud. »Ihnen bleibt noch so viel mehr Zeit als
mir, und schauen Sie mich an, sehe ich etwa aus, als hätte ich es eilig?«
»Nein, Sie verstehen mich nicht. Ich muss wirklich sofort runter.«
Der Mann stellte den zweiten Behälter neben den ersten und rückte beide fein säuberlich an die Wand.
»Dann heben Sie mir mal den da raus«, sagte er mit einem Wink ins Innere des Aufzugs, wo der letzte Behälter darauf wartete,
ausgeladen zu werden. »Dort hinten in die Ecke.«
Zac gehorchte. Ihm blieb nichts anderes übrig. Der Mann trat in die Mitte des Raumes.
»Na so was … Was haben wir denn da?« Der Alte beugte sich über den Springbrunnen und pfiff verwundert durch die Zähne. Zac hielt die
Luft an. Jeden Augenblick würden sich die Türen öffnen, und dann wäre das Spiel aus. »Können Sie sich das vorstellen? Halten
die sich hier oben diese armen kleinen Fische.«
Er zog eine durchsichtige Plastiktüte aus dem Overall, tauchte sie ins Becken, so dass sie sich mit Wasser füllte, und fing
dann ganz vorsichtig mit der geschlossenen Hand einen Fisch nach dem anderen, um sie allesamt in die Tüte fallen zu lassen.
Zac hörte Stimmen am anderen Ende des Stockwerks. Die Wachleute von der Treppe mussten kurz davor sein, die Tür nach innen
aufzubrechen. Er stellte sich auf die Schwelle zum Aufzug, um zu verhindern, dass sich die Tür automatisch schloss. Da stand
er, einen Schritt von seiner einzigen Fluchtmöglichkeit entfernt, aber ohne Magnetkarte konnte er nichts tun.
»Also, wenn Sie jetzt nicht auf der Stelle kommen, dann muss ich …«
»Was?«, fragte der alte Mann, während er die Tüte zuknotete und zu Zac zurückkam. »Sie würden mir doch nichts tun. Und haben
Sie ein wenig mehr Vertrauen in Ihr Schicksal, Mann. Wirklich.«
Zac starrte ihn an, während sie zusammen den Aufzug betraten. Er hatte recht, einen wehrlosen Greis hätte er nicht schlagen
können, dazu war er einfach nicht fähig. Und der alte Mann hatte es sofort gemerkt. Als er seine I D-Card aus der Tasche zog und sie in den Schlitz steckte, hörten sie den ersten Schrei.
»Halt!«
Die Wachleute stürmten bereits durch den Gang, sie waren nur noch wenige Meter von dem Brunnen entfernt. Zac drückte den Knopf
zur Tiefgarage, und die Türen schlossen sich. Er hörte, wie die Wachmänner gegen das Metall hämmerten, und gleichzeitig die
Stimmen ihrer Kollegen, die soeben mit den anderen beiden Fahrstühlen eintrafen. Zac atmete schwer. Es war nicht das erste
Mal, dass er im letzten Augenblick davonkam.
»Danke«, sagte er, von der Anstrengung erschöpft. »Vielen Dank.«
»Keine Ursache. Und was ist mit Ihrem Freund?«
In Zacs Gehirn leuchtete ein Alarmsignal auf. Im Bruchteil einer Sekunde fällte er seine Entscheidung und drückte auf den
Knopf zum 16. Stockwerk. Mit etwas Glück würde der Aufzug zuerst dort anhalten. Wenn Márquez schon weg war oder sie ihn geschnappt hatten,
riskierte Zac, bei dem Halt ebenfalls gefasst zu
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